Der Angriff
zweifelte nicht daran, dass die Amerikaner angreifen würden. Bekäme er den Präsidenten in seine Gewalt, stiegen seine Chancen natürlich – doch bis dahin war dieser Laptop für ihn von größter Bedeutung. Aziz kannte die amerikanischen Strategien zur Terrorbekämpfung gut genug, um zu wissen, dass sie vor allem ihre technologischen Möglichkeiten einsetzen würden. Sie würden ganz bestimmt versuchen, ihn daran zu hindern, dass er seine Bomben per Fernzündung auslöste, und dabei würden sie einen fatalen Countdown auslösen.
Jede der vierundzwanzig Bomben, die er zur Verfügung hatte, enthielt einen digitalen Pager, der sowohl als Empfänger wie auch als Zünder diente. Der Laptop wiederum war mit einem digitalen Telefon verbunden. Alle zwei Minuten schickte der Computer einen fünfstelligen Code an alle vierundzwanzig Bomben. Wenn dieser Code nicht regelmäßig ankam, würden die Pager einen Sechzig-Sekunden-Countdown auslösen. Käme dieser Countdown bei null an, wurden die Bomben gezündet.
Aziz trug ebenfalls einen Pager und ein digitales Telefon bei sich. Wenn der Pager piepte und der Countdown gestartet wurde, hieß das entweder, dass die Amerikaner angriffen, oder dass der Computer nicht richtig funktionierte. War Letzteres der Fall, konnte er den Countdown mit seinem eigenen Telefon stoppen. Wenn das nicht möglich war, bedeutete das, dass die Amerikaner tatsächlich kamen.
Die Critical Incident Response Group des FBI hatte im dritten Stock des Executive Office Building die Kommandozentrale für ihr Krisenmanagement eingerichtet. Von diesem Konferenzzimmer aus konnte man den Westflügel des Weißen Hauses überblicken. An den Computern und Telefonen saßen Frauen und Männer in blauen FBI-Poloshirts und arbeiteten fieberhaft. Sogar zwei Dolmetscher, die fließend arabisch sprachen, waren für alle Fälle vor Ort.
Special Agent Skip McMahon stand am Fenster und verfolgte das Spektakel, das sich unten am Lafayette Square, direkt gegenüber dem Weißen Haus, abspielte. Er kochte vor Wut. Nur wenige Stunden nach dem Anschlag waren die Medien aufgekreuzt und hatten sich mitten auf der Pennsylvania Avenue breit gemacht, um von hier aus ihre Live-Berichte aus der Umgebung des Weißen Hauses zu senden. Als McMahon am Ort des Geschehens eingetroffen war, hatte er als Erstes die Anweisung gegeben, dafür zu sorgen, dass die Kameras von hier verschwanden.
Einige Stunden zuvor, als McMahon gerade versuchte, auf der Couch in seinem Büro im Hoover Building ein wenig zu schlafen, war einer seiner Agenten hereingekommen, um ihm mitzuteilen, dass ein Bundesrichter zugunsten der Fernsehsender entschieden hatte. Und deswegen war der Medienzirkus allgegenwärtig, als McMahon nun auf die Straße hinunterblickte. Alle waren sie da, um ihre Berichte zu senden, als wäre das Ganze ein großes Sportereignis.
McMahon wartete ungeduldig darauf, dass die hohen Tiere ankamen, damit er seinem Ärger Luft machen konnte. Er blickte auf seine Uhr. Es war 8 Uhr 34, und sie sollten jeden Moment eintreffen.
Sie hatte die ersten vierundzwanzig Stunden überstanden, ohne geschlagen zu werden. Anna Rielly fühlte sich in Anbetracht der Umstände nicht so schlecht. Ihr Rücken war steif, nachdem sie auf dem Fußboden geschlafen – oder es zumindest versucht hatte. Die Terroristen hatten es ihnen fast unmöglich gemacht zu schlafen, indem sie die Geiseln zumindest einmal pro Stunde weckten. Und was noch schlimmer war, sie holten immer wieder einmal jemanden aus der Gruppe heraus, um ihn vor den Augen der anderen zu schlagen.
Die Frauen hatten noch etwas anderes zu befürchten. Irgendwann nach Mitternacht hatte der junge Terrorist, der Anna auf die Toilette begleitet hatte, eine blonde junge, Frau aus der Gruppe geholt und mitgenommen. Anna hätte nicht genau sagen können, wie lange die junge Frau weg war – die Terroristen hatten ihnen die Armbanduhren abgenommen, um ihnen die zeitliche Orientierung zu rauben –, aber es schienen ihr zumindest ein paar Stunden zu sein. Als die Frau schließlich zurückkam, waren ihre Kleider zerrissen und sie hatte einen Blick in ihren Augen … einen Blick, den Anna Rielly einmal in ihren eigenen Augen gesehen hatte.
Anna blickte auf Stone Alexander hinunter, der zusammengekauert wie ein Fötus am Boden lag, den Kopf auf sein fein säuberlich zusammengefaltetes Jackett gebettet. Sie war froh, dass er aufgehört hatte zu weinen. Je weniger Aufmerksamkeit sie erregten, umso
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