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Der Anruf kam nach Mitternacht

Der Anruf kam nach Mitternacht

Titel: Der Anruf kam nach Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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war allerdings bestimmt nicht mehr sein Antrieb.
    Sarah Fontaines wegen hatte er seinen Job verloren, seine Loyalität wurde in Zweifel gestellt, und – schlimmer als alles andere – er kam sich wie ein Tölpel vor. Van Dam hatte Recht gehabt. Als Spion war Nick lediglich ein blutiger Anfänger.
    Sarah würde nicht damit rechnen, dass er jetzt auf dem Wege zu ihr nach London war. Er wusste auch schon, wo er sie finden konnte; ein Telefonat hatte bestätigt, dass sie im Savoy abgestiegen war, dem üblichen Hotel ihres Mannes. Nick freute sich schon auf das Gesicht, das sie machen würde, wenn sie ihre Tür öffnen und ihn dort vorfinden würde. Aber jetzt wollte er die Wahrheit von ihr erfahren. Mit weiteren Lügen würde er sich nicht mehr zufriedengeben.
    Sarah wachte schweißgebadet aus einem wilden Albtraum auf. Jemand klopfte an ihre Tür. Sie knipste das Licht an. Es war vier Uhr morgens.
    Erneut klopfte es, diesmal jedoch lauter. »Mrs. Fontaine?«, rief eine männliche Stimme. »Bitte, öffnen Sie die Tür!«
    »Wer ist da?«, rief Sarah.
    »Die Polizei.«
    Sie sprang hastig aus dem Bett, warf sich den Morgenmantel über und öffnete ihre Zimmertür. Zwei uniformierte Polizeibeamte standen draußen im Korridor, begleitet von einem schläfrig wirkenden Hotelangestellten.
    »Sind Sie Mrs. Sarah Fontaine?«
    »Ja. Worum geht es?«
    »Entschuldigen Sie die Störung, aber Sie werden uns zum Polizeihauptquartier begleiten müssen.«
    »Ich begreife nicht. Weshalb?«
    »Wir sind gezwungen, Sie mitzunehmen.«
    Sarah klammerte sich mit beiden Händen an der Tür fest und starrte die Polizisten entsetzt an.
    »Wollen Sie damit etwa andeuten, ich sei verhaftet? Aber warum?«
    »Wegen Mordes. Wegen Mordes an Mrs. Eve Fontaine.«

5. KAPITEL
    Das kann doch nicht wahr sein!, dachte Sarah.
    Das Ganze war bestimmt nur die Fortsetzung ihres Albtraumes. Sie saß auf einem harten Stuhl und starrte auf einen kahlen Holztisch, der vor ihr stand. Eine nackte Glühbirne hing von der Decke herab und blendete sie. Der Raum war kalt, und Sarah fror in dem dünnen Kleid, das sie sich schnell übergezogen hatte. Ein Beamter mit eisig blauen Augen feuerte Fragen über Fragen auf sie herab, aber Sarah hatte kaum Gelegenheit, eine ihrer Antworten richtig zu beenden.
    Plötzlich wurde er heraus gerufen, und Sarah blieb aufgeregt und verzagt allein im Raum zurück. Sie stützte den Kopf in die Hände und spürte, wie Tränen in ihr aufstiegen. Sie konzentrierte sich so sehr, die Tränen zu unterdrücken, dass sie nicht hörte, wie die Tür geöffnet wurde.
    Sie vernahm jedoch eine Stimme, die ihren Namen rief. Dieses eine Wort war wie ein wärmender Sonnenstrahl. Sie sah auf.
    Nick O’Hara stand vor ihr. Wie durch ein Wunder war er in London aufgetaucht, ihr einziger Freund in diesem fremden Land.
    War er wirklich ihr Freund?
    Sarah bemerkte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Er hielt die Lippen aufeinandergepresst. Seine Augen waren ausdruckslos auf sie gerichtet. Verzweifelt suchte Sarah nach etwas Wärme, etwas Trost in seinem Gesicht, aber sie entdeckte nur Zorn. Nach und nach nahm sie die anderen Einzelheiten wahr: sein zerknittertes Hemd, die schiefe Krawatte, den Aufkleber der British Airways auf seinem Aktenkoffer. Er war gerade erst mit dem Flugzeug eingetroffen.
    Er drehte sich um und warf die Tür mit einem lauten Knall zu, der sie zusammenzucken ließ. Dann legte er seinen Attachékoffer auf den Tisch und drehte sich ihr mit einem finsteren Blick zu.
    »Werden Sie mich hier herausholen?«, fragte Sarah mit dünner Stimme.
    »Das hängt davon ab.«
    »Wovon?«
    »Ob Sie es getan haben oder nicht.«
    »Natürlich war ich es nicht!«
    Er schien von ihrem wilden Ausbruch überrascht zu sein. Einen Moment lang sagte er nichts. Dann kreuzte er die Arme vor der Brust und setzte sich auf die Kante des Tisches.
    Sarah hatte Angst, ihm ins Gesicht zu sehen, Angst vor dem anklagenden Ausdruck seiner Augen. Der Mann, den sie als ihren Freund betrachtet hatte, war plötzlich zu jemandem geworden, den sie kaum kannte.
    Er hielt sie also auch für schuldig. Welche Hoffnung blieb ihr dann noch, vollkommen Fremde von ihrer Unschuld zu überzeugen, wenn selbst Nick O’Hara ihr nicht glaubte? Bitter stellte sie fest, wie sehr sie sich in ihm getäuscht hatte. Und der Grund seiner Anwesenheit hier war jetzt ja auch offenkundig. Er erfüllte lediglich seine Pflicht.
    Sie ballte die Hände zu Fäusten auf der Tischplatte. Sie war wütend

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