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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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dem er mit seinen Kindern zum Footballspiel nach Orono fahren würde, und auf der Rückfahrt würden sie im Ninety-Fiver einkehren, wo es dann gebratene Muscheln und Milchshakes gab.
    Chaz Frati war an der Bar und trank Rye mit Wasser. »Hoffen Sie lieber, dass morgen die Braves gewinnen, sonst sind Sie fünfhundert ärmer.«
    Sie würden gewinnen, aber mich beschäftigten wichtigere Dinge. Ich würde so lange in Derry bleiben, bis ich meine drei Riesen bei Mr. Frati abkassiert hatte, doch um den eigentlichen Zweck meines Besuchs würde ich mich bereits morgen kümmern. Falls alles klappte wie erhofft, wäre ich in Derry fertig, bevor Milwaukee im sechsten Inning den einen Run erzielte, der ihm den Sieg sichern würde.
    »Nun«, sagte ich und bestellte mir ein Bier und etwas gegrilltes Hummerklein. »Das werden wir einfach abwarten müssen, stimmt’s?«
    »Genau, mein Freund. Das macht den Spaß beim Wetten aus. Darf ich Sie etwas fragen?«
    »Klar. Sie dürfen nur nicht beleidigt sein, wenn ich die Antwort verweigere.«
    »Das gefällt mir so an Ihnen, junger Freund – dieser Sinn für Humor. Muss eine Spezialität von Leuten aus Wisconsin sein. Mich würde interessieren, was Sie in unsere schöne Stadt geführt hat.«
    »Immobilien. Ich dachte, das hätte ich Ihnen erzählt.«
    Er beugte sich weiter zu mir herüber. Ich konnte Vitalis in seinem zurückgekämmten Haar und Sen-Sen in seinem Atem riechen. »Und wenn ich Grundstück für ein Einkaufszentrum sagen würde – wäre das ein Treffer?«
    Darüber kamen wir ins Reden, aber dieser Teil ist ja bereits bekannt.
    6
    Ich habe gesagt, dass ich den Lamplighter zu Zeiten mied, zu denen ich dort Frank Dunning hätte begegnen können, weil ich schon alles über ihn wusste, was ich wissen musste. Das ist die Wahrheit, aber nicht die ganze Wahrheit. Das muss ich klar zum Ausdruck bringen. Täte ich das nicht, würde man mein späteres Verhalten in Texas nie verstehen.
    Man stelle sich vor, man beträte einen Raum, in dem auf einem Tisch ein komplexes, mehrstöckiges Kartenhaus aufgebaut ist. Man hätte den Auftrag, es zum Einsturz zu bringen. Wäre das alles, wäre die Sache einfach, nicht wahr? Ein kräftiges Aufstampfen mit dem Fuß oder ein kräftiges Pusten – als wollte man alle Kerzen einer Geburtstagstorte auf einmal ausblasen – würde schon ausreichen. Aber das ist noch nicht alles. Der Haken dabei ist, dass man das Kartenhaus in einem bestimmten Augenblick zum Einsturz bringen muss. Bis dahin muss es stehen bleiben.
    Ich wusste, wo Dunning am Nachmittag des 5. Oktober 1958 sein würde, und wollte nicht riskieren, ihn auch nur im Geringsten vom Kurs abzubringen. Selbst eine zufällige Begegnung mit ihm im Lamplighter hätte eine Kursänderung bewirken können. Man könnte jetzt schnauben und mich übervorsichtig nennen; man könnte sagen, es sei doch sehr unwahrscheinlich, dass solche Kleinigkeiten große Veränderungen zur Folge hätten. Aber die Vergangenheit ist zerbrechlich wie ein Schmetterlingsflügel. Beziehungsweise wie ein Kartenhaus.
    Ich war nach Derry gekommen, um Frank Dunnings Kartenhaus zum Einsturz zu bringen. Aber bis dahin musste ich es vor dem Einsturz bewahren.
    7
    Ich wünschte Chaz Frati eine gute Nacht und ging in meine Wohnung zurück. Meine Flasche Pepto-Bismol stand im Medizinschränkchen im Bad, und das neue Souvenirkissen mit dem in Gold gestickten Wasserturm lag auf dem Küchentisch. Ich holte ein Messer aus der Besteckschublade und schnitt das Kissen vorsichtig diagonal auf. Dann steckte ich meinen Revolver hinein und schob ihn tief in die Füllung.
    Ich war mir nicht sicher, ob ich würde schlafen können, aber ich schlief tief und fest. Tu dein Bestes und überlass Gott den Rest war nur eine der vielen Redensarten, die Christy aus den AA -Meetings heimgebracht hatte. Ob es einen Gott gibt, weiß ich nicht – aus Jake Eppings Sicht steht der Urteilsspruch der Geschworenen in dieser Sache noch aus –, aber als ich an jenem Abend zu Bett ging, war ich mir ziemlich sicher, mein Bestes getan zu haben. Nun konnte ich nur noch etwas schlafen und hoffen, dass mein Bestes auch gut genug war.
    8
    Diesmal gab es keine Darmgrippe. Diesmal wachte ich bei Tagesanbruch mit den schlimmsten Kopfschmerzen meines Lebens auf. Ich tippte auf eine Migräne. Genau sagen konnte ich das nicht, weil ich noch nie eine gehabt hatte. Schon ein Blick in schwaches Tageslicht erzeugte ein übelkeiterregendes dumpfes Pochen, das vom Genick bis zu den

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