Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
nicht mit mir; sie versuchte nur, sich selbst darüber Klarheit zu verschaffen.
    »Richtig.« Das eigentliche Problem lautete: Kämen wir am 9. September 1958 zurück, würde die Originalversion von Sadie Dunhill bereits existieren. Das war ein Paradox, über das ich nicht einmal nachdenken wollte.
    Sie stand auf und trat ans Fenster. Dort blieb sie lange mit dem Rücken zu mir stehen. Ich wartete.
    »Jake?«
    »Ja, Schatz.«
    »Kannst du die Zukunft voraussagen? Das kannst du, nicht wahr?«
    Ich schwieg.
    Mit schwacher Stimme fragte sie: »Bist du aus der Zukunft hier hergekommen?«
    Ich schwieg.
    Sie wandte sich vom Fenster ab. Ihr Gesicht war leichenblass. »Jake, bist du aus der Zukunft?«
    »Ja.« Mir war, als wäre ein großer Felsblock von meiner Brust gerollt. Zugleich hatte ich schreckliche Angst. Um uns, aber vor allem um sie.
    »Wie … wie weit voraus?«
    »Schatz, willst du wirklich …«
    »Ja. Wie weit voraus? «
    »Fast achtundvierzig Jahre.«
    »Bin ich … tot?«
    »Das weiß ich nicht. Das will ich auch nicht wissen. Das Jetzt zählt. Und wir zählen.«
    Sie dachte darüber nach. Die Haut um die roten Verletzungsnarben war sehr weiß geworden, und ich wollte auf sie zutreten, aber ich hatte Angst, mich zu bewegen. Was, wenn sie mit einem Aufschrei vor mir flüchtete?
    »Wozu bist du hier?«
    »Um einen Mann daran zu hindern, etwas zu tun. Notfalls bringe ich ihn vorher um. Das heißt, wenn ich hundertprozentig davon überzeugt bin, dass er den Tod verdient. Bisher konnte ich mich noch nicht eindeutig davon überzeugen.«
    »Was ist dieses Etwas?«
    »Ich bin mir ziemlich sicher, dass er in vier Monaten den Präsidenten ermorden wird. Er wird John Ken…«
    Ich sah, wie ihre Knie nachgaben, aber sie schaffte es, auf den Beinen zu bleiben, bis ich sie auffangen konnte, bevor sie vollends zusammenbrach.
    10
    Ich trug sie ins Schlafzimmer und ging dann ins Bad, um einen nassen Waschlappen zu holen. Als ich zurückkam, hatte sie die Augen schon wieder geöffnet. Sie betrachtete mich mit einem Ausdruck, den ich nicht deuten konnte.
    »Ich hätte es dir nicht sagen sollen.«
    »Vielleicht nicht«, sagte sie, aber sie fuhr nicht zusammen, als ich mich neben sie aufs Bett setzte, und ließ einen zufriedenen kleinen Seufzer hören, als ich ihr Gesicht mit dem kalten Waschlappen abtupfte, wobei ich den schlimmen Bereich aussparte, der nur noch für starke, dumpfe Schmerzen empfindlich war. Als ich fertig war, betrachtete Sadie mich mit feierlichem Ernst. »Erzähl mir etwas, was erst passieren wird. Ich brauche das, wenn ich dir glauben soll. Irgendwas wie die Sache mit Adlai Stevenson und der zufrierenden Hölle.«
    »Das kann ich nicht. Ich habe Englisch studiert, nicht amerikanische Geschichte. Und in meiner Schulzeit wurde die Geschichte Maines behandelt, aber ich weiß praktisch nichts über Texas. Ich kann nur …« Auf einmal fiel mir ein, dass ich doch etwas wusste. Ich erinnerte mich an den letzten Eintrag auf Al Templetons Sportwettenliste. Für den Fall, dass du eine letzte Geldspritze brauchst, hatte er dazugeschrieben.
    »Jake?«
    »Ich weiß, wer nächsten Monat den Boxkampf im Madison Square Garden gewinnen wird. Er heißt Tom Case und wird Dick Tiger in der fünften Runde k. o. schlagen. Wenn er das nicht tut, darfst du meinetwegen die Männer in den weißen Kitteln rufen. Aber kannst du das bis dahin für dich behalten? Davon hängt viel ab.«
    »Ja, das kann ich.«
    11
    Ich rechnete halbwegs damit, dass Deke oder Miz Ellie mich nach der zweiten Abendvorstellung abfangen würden, um mir mit ernster Miene mitzuteilen, dass Sadie angerufen und ihnen erklärt habe, ich hätte mein letztes bisschen Verstand verloren. Aber das passierte nicht, und als ich in Sadies Haus zurückkam, lag auf dem Tisch eine Mitteilung: Weck mich, wenn du einen Mitternachtsimbiss willst.
    Es war nicht Mitternacht – noch nicht ganz –, und Sadie schlief noch nicht. Die folgenden etwa vierzig Minuten waren sehr vergnüglich. Danach sagte sie im Halbdunkel: »Ich muss mich nicht gleich entscheiden, oder?«
    »Nein.«
    »Und wir brauchen jetzt nicht darüber zu sprechen.«
    »Nein.«
    »Vielleicht nach dem Boxkampf, von dem du mir erzählt hast.«
    »Vielleicht.«
    »Ich glaube dir, Jake. Ich weiß nicht, ob das bedeutet, dass ich verrückt bin, aber ich tu’s. Und ich liebe dich.«
    »Ich liebe dich auch.«
    Ihre Augen leuchteten im Halbdunkel: das eine, das mandelförmig war, und das andere, das trotz des hängenden

Weitere Kostenlose Bücher