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Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Titel: Der Apfel fällt nicht weit vom Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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alkoholisierten Runde um.
    Was für ein Anblick. Sie waren dreckig, sie waren zerzaust, und die meisten hatten ordentlich einen sitzen. Pips Geburtstags-Schaumwein hatte es in sich. Opal und Judy stützten sich auf der anderen Seite des Feuers aneinander ab und kicherten wie bescheuert. Womöglich über Dudley, der mit Flora Foxtrott tanzte, während Viola – völlig untypisch für sie – dazu übergegangen war, die Tänzer mit ihrem Gesang zum Radio zu begleiten.
    Morven schunkelte mit Balthazar, die rosige, speckige Wange gegen seine Brust gelehnt, während seine Arme nicht lang genug waren, um ihr ganz um die konvexe Taille zu reichen.
    Der alte Josh war tief und fest eingeschlafen und schnarchte. Gypsy hatte ihm einen Schnurrbart und eine Brille ins Gesicht gemalt, ohne dass er sich auch nur im Geringsten gerührt hätte.
    Nigel und Barry, die immer doppelt so viel tranken wie alle anderen, teilten sich einen Flachmann Whisky mit Mad Mary.
    Das war nun wirklich nicht das makellose Bild einer aufstrebenden Cider-Kelterei, die sie die letzten zwei Wochen hatten aufbauen wollen ...
    Doch es sollte noch schlimmer kommen.
    »O nein ... bitte nicht ...«, stöhnte Judy und ließ sich neben Pip an der Wand heruntergleiten.
    Judy hatte auf dem Rücksitz des ersten Wagens eine massige Gestalt erkannt: die Chef-Jurorin der diesjährigen Herbstmesse war keine andere als Evangeline Whitehead, Oberküsterin, dienstältestes Mitglied des Kirchenvorstands, Bürgermeisterin von Quinn und leider auch Vorsitzende des Wir-hassen-Judy-Charteris-Clubs.
    »Was ist denn? Was ist los?« Balthazar war Morvens liebeshungrigen Klauen geschickt entkommen und tauchte nun neben Pip auf, die gerade beruhigend die Hand auf Judys Arm legte.
    »Die Frau da. Die kann meine Mutter nicht ausstehen.«
    »Jemand kann deine Mutter nicht ausstehen? Wie geht das denn?«
    »Na ja, angefangen hat es, als sie sich vor vielen, vielen Jahren in meinen Vater verliebte ... Aber mein Vater verliebte sich nicht in sie, sondern in meine Mutter ...«
    »Na ja, und dass Mum heute immer noch genauso schön ist wie damals, als Evangeline die Hochzeitsglocken für sie läuten musste, und Evangeline dagegen eher aussieht wie der Inbegriff einer wespenkauenden Bulldogge, hat sie über die Jahre auch nicht gerade versöhnt«, schaltete Viola sich ein.
    Balthazar nickte.
    »Verstehe ...«
    Es wollte ihm nicht recht gelingen, ein Lachen zu unterdrücken. Er fuhr sich durchs Haar, reichte Pip die Hand und half ihr auf.
    »Es bleibt uns nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen, Persicoria. Wir müssen ihnen das Gefühl geben, wichtig zu sein, denn genau das ist es, was solche Juroren so wahnsinnig gerne sein möchten. Meiner Meinung nach schwingen sich nur solche Menschen dazu auf, über andere zu richten, die in Wirklichkeit selbst nach Anerkennung lechzen ...«
    »Hey, du bist ja richtig zynisch!«
    »Ich würde es realistisch nennen. Also los, wie heißt die Gute?«
    »Olle Hackfresse«, antwortete Gypsy wie aus der Pistole geschossen und mit einem sauren Blick auf die umfangreiche Frau mit den grauen Löckchen, die gerade ihr enormes Hinterteil aus dem Auto bugsierte.
    »Olga wer?«, fragte Balthazar.
    »Gyps!«, ermahnte Pip sie sofort. »Sie heißt Evangeline Whitehead.«
    »Miss oder Mrs.?«
    »Dreimal darfst du raten«, lautete Violas scharfzüngiger Kommentar.
    »Miss Whitehead ...«, begrüßte Balthazar Evangeline, die erhobenen Hauptes auf sie zu schritt, und reichte ihr die sonnengebräunte, warme Hand. »Ich habe ja schon so viel von Ihnen gehört ... Seien Sie herzlich willkommen!«
    Er schenkte ihr ein süßes Lächeln, das sein attraktives Gesicht erstrahlen ließ und auch aus seinen bernsteinbraunen Augen leuchtete.
    Sämtliche Jurymitglieder bewegten sich auf ihn zu, als seien sie Schiffe, die das Licht eines Leuchtturms ansteuerten. Und Evangeline Whitehead, deren verbittertes Gesicht seit ihrer Kindheit kein Lächeln mehr zustande gebracht hatte, strahlte zurück.
    Die zusätzlichen Helfer verzogen sich still und leise, und die umsichtige Judy, die völlig erschossenen Mädchen und die stark beeindruckte Pip hielten sich hübsch im Hintergrund, während Balthazar Evangeline, den anderen Juroren und den Leuten von der St.-Wastrell-Brauerei die Kelterscheune, die Plantage und den Weinkeller zeigte.
    Er war ausgesucht charmant, aber nicht anbiedernd. Einfach ganz natürlich, freundlich und gewinnend. Mit wohlklingender

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