Der Apfel fällt nicht weit vom Mann
wohlerzogen und hat einen göttlichen Körper, wie ich feststellte, als er mir nur mit einem Handtuch um die Hüften auf dem Weg aus dem Bad begegnete. Und kochen kann er auch noch. Französisch. Und er kann mit einem Staubsauger umgehen. Ich sitze hier in einem blitzsauberen Wohnzimmer und mampfe frische, selbstgebackene Madeleines. Pip. Jetzt hör mal zu. Du bist ein echter Pechvogel, was deine Familienbande angeht, aber ich möchte dir wirklich raten, die Sache mit deiner Mutter umgehend zu klären und sofort nach Hause zu kommen. Dan ist einfach so was von zum Anbeißen, dass du ihn dir besser pronto schnappst, bevor jemand anderes auf seinen Geschmack kommt ...«
– 9 –
Natürlich war das das Letzte gewesen, was Pip hatte hören wollen.
Dabei wusste sie genau, dass Nancy recht hatte. Dan war umwerfend. Wahrscheinlich stand die Bristoler Frauenwelt bereits Schlange und bettelte um Einlass in sein Schlafgemach.
Aber warum musste sie sie daran erinnern, schließlich war sie doch dreihundert Kilometer entfernt und konnte beim besten Willen nichts machen? Sollte sie vielleicht Susans Kettensäge anschmeißen und sich durch die Zimmertür ihrer Mutter fräsen wie ein aus einem schlechten Horrorfilm entsprungener Psychopath?
Eigentlich war es doch gemein von Nancy, sie daran zu erinnern.
Aber ihre Worte hatten den gewünschten Effekt.
Pip marschierte zu Judys Zimmer und hämmerte mit aller Kraft gegen die Tür.
Die Hunde wachten von dem Lärm auf und fingen an zu bellen.
Endlich antwortete ihre Mutter.
»Nein, nein, nicht jetzt, ich kann jetzt nicht ...«, rief eine bebende Stimme.
»Mum. Bitte lass mich rein. Du kannst dich doch nicht für immer da verkriechen ...«, versuchte Pip, auf sie einzuwirken, doch die einzige Reaktion darauf kam von Persi, die ihren knochigen Hintern neben Pip parkte und anfing zu jaulen.
Zwei Stunden später versuchte Pip es noch einmal, doch als sie sich nach oben schlich, schnarchte es leise hinter der immer noch verschlossenen Tür.
»Immer noch kein Glück?«, erklang leise Susans Stimme hinter ihr.
Pip erschrak sich zu Tode. Sie hatte ihre Tante nicht kommen hören – sie war davon ausgegangen, immer noch allein zu Hause zu sein. Wenn Susan da war, waren auch ihre Schwestern von der Schule zurück, und sie war dem Ziel, ihnen ihre nicht im Nachthemd steckende und sich vertikal bewegende Mutter zu präsentieren, keinen Schritt nähergekommen.
Pip schüttelte den Kopf.
»Bis jetzt nicht, nein.«
»Wenn sie schläft, lässt man sie am besten in Ruhe. Ich nehm das mal wieder mit«, sagte sie mit Blick auf das Tablett, das sie trug. »Wer weiß, vielleicht wäre sie schon längst herausgekommen, wenn wir sie nicht ständig mit Essen versorgt hätten. Ich muss dann mal weg, Pip, ich soll zwei Tage bei der Gärtnerei helfen, gründlich im Hofladen aufzuräumen. So, wie die Dinge jetzt liegen, hätte ich natürlich abgelehnt, schließlich werde ich hier dringend gebraucht, aber andererseits zahlen sie gut, und das Geld können wir gebrauchen ... Außerdem darf ich bestimmt ein bisschen was von den Sachen mitnehmen, die das Verfallsdatum überschritten haben und so. Eigentlich wollte ich ja Flora bitten, ein Auge auf Gypsy zu haben, aber da du jetzt da bist ... Würdest du das tun? Du weißt ja, wie das ist, wenn man ein Auge auf Gypsy haben soll ...«
»Allerdings. Einen Sack Flöhe hüten ist leichter«, nickte Pip. »Kein Problem, ich kümmer mich um sie.«
»Danke, du bist ein Engel.« Susan lächelte dankbar. »Du weißt gar nicht, was für eine Erleichterung das ist, dass du hier bist ...«
Sie hielt Pip das Tablett hin.
»Ich glaube, die Sandwiches finden hier keinen Absatz – willst du?«
Schon wieder Baguette.
»Ach ... nein, danke«, lehnte Pip ab.
Pip machte eine große Portion Lasagne und einen Salat aus Zutaten aus dem Gemüsegarten. Dazu reichte sie den Rest des Baguettes als knusprig gebackenes Knoblauchbrot – aber erst, nachdem sie es gründlich auf Hundezahnabdrücke hin untersucht hatte.
So wie ihre Schwestern sich aufs Essen stürzten, hätte man meinen können, sie hätten seit Wochen Hunger leiden müssen.
Pip beschloss, den Abend im Kreis ihrer Schwestern zu genießen und sich morgen wieder um ihre Mutter zu kümmern, auch wenn das bedeutete, dass sie noch einen weiteren Tag auf Arandore würde bleiben müssen.
Dass sie also einen weiteren Tag ohne Dan verbringen musste.
Es war völlig verrückt, aber sie vermisste ihn.
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