Der Apfel fällt nicht weit vom Mann
infrage.«
»Wir können doch wegen eines einzelnen Betrügers nicht ein ganzes Volk in Sippenhaft nehmen.« Susan zuckte die Achseln.
»Das ist mir auch klar, und auf den ersten Blick wirkt er vollkommen anständig. Ich hatte bloß befürchtet, dass ein Spanier in der Nachbarschaft Salz in die Wunden meiner Schwestern wäre, und darum wollte ich es möglichst nicht erwähnen ... aber wahrscheinlich werden sie es auch selbst merken, wenn sie ihm begegnen ...«
»Sag doch einfach, dass er Italiener ist. Die bemerken den Unterschied doch sowieso nicht, so wie die mit Geifern beschäftigt sind.«
»Also, ich hoffe ja wirklich , dass sie sich von ihm fernhalten.« Pip machte ein Gesicht, als wüsste sie, dass diese Hoffnung vergebens war. »Ich will auf keinen Fall, dass sie ihm auf die Nerven gehen.«
Susan nickte.
»Wir wollen nicht riskieren, dass unser im Voraus zahlender Mieter die Flucht vor uns ergreift.«
»Denn sonst würde er vielleicht etwas hiervon zurückhaben wollen.« Pip zog die Scheine hervor. »Und ich möchte einen ziemlich großen Teil davon morgen in Heizöl investieren.«
»Au ja! Endlich wieder heiß duschen! Also, mach du dir mal keine Sorgen, ich werde dir dabei helfen, ihm die Mädchen vom Hals zu halten. Das viel größere Problem scheint mir aber deine Mutter zu sein.«
»Wieso? Weil er Spanier ist?«
Susan verdrehte die Augen.
»Nein, Dummerchen, weil er ein junger, gut aussehender Mann ist. Sie wird ihn genauso schnell vernaschen wie die Mädchen diesen köstlichen Kuchen, wenn wir nicht aufpassen.«
Im selben Moment saß Judy auf Pips Bett und sah zum fünften Mal durchs Fernglas.
Und ebenfalls im selben Moment marschierte Balthazar einzig mit einem knappen Handtuch um die schmalen Hüften bekleidet vom Bad ins Schlafzimmer.
Judy ging im Geiste ihre Checkliste über die Dinge, die sie an einem Mann mochte, durch.
Waschbrettbauch? Jeps.
Etwas zu lange kurze Haare, leicht zerzaust? Hmhm.
Muskulöse Beine? Jawoll.
Markantes Gesicht? Jau.
Volle Lippen? Aber hallo.
Breite Schultern? Jaha.
»Der Hammer«, seufzte sie.
Sie reichte das Fernglas an Viola weiter, die zustimmend nickte und das Gerät in einem seltenen Anfall von Selbstlosigkeit an Flora weitergab, die nichts sagte, deren Unterkiefer aber stattdessen weit aufklappte.
Geistesabwesend reichte Flora den Feldstecher weiter an Gypsy, die vor Lachen quietschte und ihn Viola zuwarf.
»Und der gibt uns Geld dafür, dass er hier wohnen darf?«, lachte Viola, während sie in deutlicher Schärfe beobachten durfte, wie er sich seine Jeans anzog, als werde er für eine 501-Werbung gefilmt. »Also gut, Mum, hiermit verzeihe ich dir offiziell, dass du unser Pay-TV-Abo gekündigt hast. Da gab es in den ganzen letzten Monaten nicht so was Spannendes zu sehen wie das hier.«
»Das kann man wohl sagen«, nickte Judy, doch als Viola ihr abermals das Fernglas reichte, überraschte sie ihre Tochter, indem sie abwinkte und sagte: »Aber ich glaube, ich schalte trotzdem um.«
Nun klappte auch Violas Unterkiefer herunter.
»Soll das heißen, du wirst jetzt lesbisch?«, fragte sie erstaunt.
Judy blinzelte überrascht.
»Das meinte ich eigentlich nicht, aber vielleicht sollte ich mal darüber nachdenken ...«
Viola verdrehte die Augen.
»Ach, Mum«, seufzte sie. »Ich schätze es wirklich sehr, eine weltoffene Mutter zu haben, die keine gedanklichen Tabus kennt, aber ich möchte doch darauf hinweisen, dass Frauen einem genauso das Herz brechen können wie Männer.«
»Wir recht du hast, mein Schatz ...« Judy nickte nachdenklich. »Was ich eigentlich mit ›umschalten‹ meinte, war, dass ich im Laufe meines Lebens mehr als genug Männer hatte und dass ich meine Lebensweise ändern sollte. Ich denke ernsthaft darüber nach, von jetzt an« – sie ließ einen dramatischen Seufzer hören – »zölibatär zu leben.«
»Was ist zölibatär?«, fragte Gypsy prompt.
Judy und Viola sahen einander an.
Dann wuschelte Judy ihrer Jüngsten zärtlich durchs Haar. »Das heißt, dass deine Mum keine Männer mehr will. Das ist ein bisschen wie mit dir und dem Zucker, Gyps. Wenn du zu viel davon bekommst, wirst du noch unausstehlicher, als du es ohnehin schon bist. Und darum musst du immer mal eine Zuckerpause einlegen, stimmt’s?«
Gypsy nickte.
»Na ja, und ich habe etwas zu viel von den Männern bekommen, und das war auch nicht gut für mich ... Ich habe euch in letzter Zeit wirklich mehr als genug Ärger bereitet, und darum habe
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