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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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regelrechten Beifallsstürmen. Er rannte herbei, um ihr die Tür zu öffnen, ihr zu helfen, den Umhang überzuziehen, oder ihr einen Stuhl in den Laden zu bringen, damit sie sich ausruhen konnte, bevor neue Kundschaft kam. Fast jeden Tag verehrte er ihr eine Kleinigkeit, ein Pflaumentörtchen oder ein hübsches Band.
    Ich tat seine Bemühungen als die schrulligen Manöver eines Geistesgestörten ab. Die Herrin war von Natur aus misstrauisch und witterte schon den kleinsten Schwindel. Gewiss würde Edgars kriecherisches Verhalten früher oder später ihren Zorn heraufbeschwören. Doch offensichtlich war sie selbst kaum bei Verstand. Zwar bat sie den Lehrling wiederholt, zu schweigen, aber ihrem Tadel fehlte die Strenge. Die Art und Weise, wie sie seinen Namen aussprach, die erste Silbe hart am Gaumen artikulierend, die zweite lang gezogen und fast wie ein Seufzer, verursachte mir eine Gänsehaut. Nicht selten sah ich die beiden zusammen – Edgar vertieft in die Zubereitung irgendeiner Medizin, während Mrs Black ihn mit Blicken umschwirrte wie eine Motte.
    Eines Morgens gegen Ende der Woche, als die Herrin bei Mr Black war, drückte sich Edgar an mich, und ich spürte seine steife Rute an meinem Schenkel.
    »Na, gefällt dir das?«, flüsterte er und stieß mir einen Finger in die Rippen. »Wenn ich hier der Herr bin, bekommst du so viel davon, wie du willst.«
    Tags darauf, als ich in die Küche trat, um Wasser zu holen, da Mrs Black dem Herrn die wunden Stellen säubern wollte, räkelte sich Edgar im Schaukelstuhl, die Füße auf dem Kaminsims.
    »Weißt du«, sagte er zu Mary, die vor dem Kamin kauerte, »wenn der Herr nicht mehr da ist, werde ich dein neuer Herr sein. Du wärst also klug beraten, mir zu gehorchen, meinst du nicht? Denn welche Möglichkeit hast du schon, woanders eine Stelle zu finden?«
    Er beugte sich hinunter und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Mary zuckte zusammen und ließ den Kopf hängen, wehrte seine Hand aber nicht ab.
    »Nimm deine dreckigen Finger von ihr!«, schrie ich und knallte die Tür zu. Edgar erschrak und zog die Hand zurück, doch als er sah, dass ich es war, ließ er sie erneut auf Mary hinuntersinken.
    »Du meine Güte!«, sagte er geziert seufzend und betatschte Mary mit seinen dicken Fingern. »Deine Herrin hat wirklich recht, es ist eine Schande, dass es heutzutage keine guten Dienstmägde mehr gibt.«
    Und während ich verächtlich schnaubte, sah ich unsere Zukunft vor mir: Edgar, unser Herr, der jeden Tag mit mir, mit uns beiden schacherte und feilschte wie ein Fischweib in Billingsgate. Wir würden ihm zu Willen sein müssen, wenn wir weiter hierbleiben wollten. Unser Körper war unser einziges Kapital.

AN DEN HAHNREI VON APOTHEKER
     
     
    SIE HABEN SICH LANGE GENUG ZUM NARREN HALTEN LASSEN .
     
     
    ICH HABE KEINEN ZWIST MIT IHNEN . ICH BEDAURE IHRE UNPÄSSLICHKEIT , & ICH KENNE SIE ALS EINEN GUTEN & EHRBAREN MENSCHEN . ABER MERKEN SIE DENN NICHT , DASS IHR EIGENES HAUS EIN PFUHL DER LÜSTERNHEIT & AUSSCHWEIFUNG GEWORDEN IST ?
     
     
    ÖFFNEN SIE DIE AUGEN ! ERKENNEN SIE DEN FALSCHEN , UNZUCHT TREIBENDEN LEHRLING , DER IHRE HURENHAFTE EHEFRAU MIT SEINEM SCHWANZ BEACKERT , & ÜBERANTWORTEN SIE SIE IHRER WOHLVERDIENTEN STRAFE .
     
     
    EIN BESORGTER FREUND & NACHBAR

XXVII
    E ine ganze Woche lang verweigerte sich der Herr seiner Tinktur. Am achten Tag, als es unmöglich schien, dass er noch einen weiteren Tag am Leben festhalten konnte, rief er nach Mrs Black, schimpfte sie eine widerwärtige Hure und verlangte nach Laudanum. Und in den Tagen, die folgten, erstand Mr Black aus der Swan Street von den Toten auf.
    Welchen Pakt dieses Scheusal mit dem Teufel geschlossen hatte, kann ich nicht sagen, aber offenbar erhielt er für die verkohlten Reste seiner Seele seine Lebensgeister zurück, zumindest zum größten Teil. Hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen, ich hätte es nicht geglaubt, so erstaunlich war seine Genesung. Körperlich blieb er zwar gebrechlich und bedrohlich dünn, aber er offenbarte eine nervöse Energie, die in seinen Fingern vibrierte und ihm die Augen weit aufriss, sodass er zugleich übertrieben wachsam und äußerst erstaunt wirkte. Nach seinem Opium-Frühstück verließ er stets das Bett und setzte sich an den Schreibtisch, wo er, bis auf wenige Ausnahmen, für den Rest des Tages blieb und Blatt um Blatt mit seiner gehetzten Handschrift füllte. Mittags nahm er erneut diese Arznei ein und oft noch eine weitere Dosis nach

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