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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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allmorgendlich nach dem Frühstück zu sich rief. Ich plagte mich allein mit der Hausarbeit, ich wischte, rieb und schrubbte mit einer Besinnungslosigkeit, die jeden Gedanken verscheuchte. Der Überlegung wert war einzig und allein, wie ich von hier wegkam.
    Kurz nach dem Mittagessen entdeckte ich das Buchpaket auf dem Tisch im Flur. Meine Hände waren noch schwarz vom Putzen des Zinns, aber ich riss die Haustür auf, ohne meine Arbeitsschürze auszuziehen. Meine Lungen und meine Beine schmerzten in unbändigem Bewegungsdrang. Ich rannte die Cheapside hinunter, rempelte und drängelte und sog die scharfe Frühlingsluft in tiefen Zügen ein, bis ich in der Newgate Street und bei dem Drogisten angelangt war, dem ich mein erstes Dutzend Fläschchen abgekauft hatte. Mit einem Blick hatte er mir zu verstehen gegeben, dass er liebend gern mit mir ins Geschäft kommen wollte.
    Als ich einige Minuten später mit einem Pfund Opium, versteckt in meiner Schürze, aus dem Laden trat, war ich sechs Shilling und das Versprechen los, am folgenden Sonntag mit dem Drogisten einen Spaziergang nach Hockley-in-the-Hole zu unternehmen. Das Versprechen hatte ich schon vergessen, noch ehe ich die Tür hinter mir schloss, aber das Opiumpäckchen stieß beruhigend gegen meinen Korb. Es war ein verlockend warmer Vormittag, und ich legte den Kopf in den Nacken, um mir die Sonne ins Gesicht scheinen zu lassen, während ich in südlicher Richtung weitereilte. Vor dem Laden des Hugenotten blieb ich stehen, um mir die Schürze auszuziehen und im Korb zu verstauen. Ich war ganz aufgeregt und mir zugleich sicher, dass sich der Franzose nicht mehr an mich erinnern würde.
    »Na, sieh mal einer an!«, rief Mr Honfleur erfreut, nachdem ich zaghaft an die Tür geklopft hatte. »Was für eine schöne Überraschung! Wir haben schon gedacht, Sie seien tot – oder noch schlimmer, verheiratet. Ist es nicht so, Annette? Sie haben doch nicht etwa geheiratet?«
    Errötend schüttelte ich den Kopf, den Korb verlegen an den Bauch gedrückt.
    »Sie gibt sich kokett und verschämt zugleich, kunstvoll bemüht und scheinbar unbedacht; sorglos ist sie, mit raffinierter Sorgfalt, anrührend und scheinbar ungerührt«,
murmelte Annette vor sich hin und senkte den Kopf erneut in ihr Buch.
    Ihr Vater sah sie stirnrunzelnd an.
    »Hören Sie nicht auf sie«, flüsterte er mir zu, jedoch laut genug, dass Annette die Bemerkung nicht entgehen konnte. »Trotzdem, es ist kein Wunder, dass meine Tochter allem Neuen ablehnend gegenübersteht. Noch hat kein Dichter die Worte gefunden, die ihr selbst gerecht würden.«
    »Womit du beweist, wie töricht du bist«, gab Annette scharf zurück. »Denn in diesen Büchern liegt Weisheit und Klugheit genug für die Enkel deiner Enkelkinder, wenn du nur einen Blick dafür hättest.«
    »Leider kenne ich kein Enkelkind, das jemals durch Bücherlesen gezeugt worden wäre.«
    Annette presste die Lippen zusammen.
    »Und außerdem«, fuhr Mr Honfleur besänftigend fort, »hat uns nicht Mr Marvell selbst ermahnt, es sei an der Zeit,
die Bücher verstauben zu lassen und die unbenutzte rost’ge Rüstung zu ölen?
Er wusste, es gibt eine Zeit zum Studieren und eine Zeit zum Handeln, zum Tätigwerden.«
    »Du benutzt den Lobgesang eines Dichters auf die Moral, um deine schändlichen Aktiengeschäfte zu rechtfertigen, die nur eine Seifenblase sind? Schämen solltest du dich, Vater.«
    »Man muss sich Rat holen, wo man kann. Ein Dichter mag die verborgenen Geheimnisse des menschlichen Herzens ergründen, aber nur ein Narr würde ihn zu seinem Berater in Geldangelegenheiten machen.«
    Zu meiner Freude erkannte ich, dass sich während meiner Abwesenheit hier nicht das Geringste verändert hatte. Ich lächelte.
    Mr Honfleur sah mich nachdenklich an. »Nimm beispielsweise Eliza. Sie hat so wenig Ahnung von Shakespeare wie ein Säugling in Windeln. Aber in Paris hätte sich ein vernünftiges Mädchen wie sie Geld erbettelt, geliehen oder gestohlen, um in die Mississippi-Kompanie zu investieren, und gewiss hätte sie längst ihre eigene Equipage und obendrein noch einen hübschen Comte als Ehemann.«
    Annette brummte etwas Unverständliches und vertiefte sich wieder in ihr Buch.
    »So viele Anleger aus allen Ständen der Gesellschaft, dass nachts Wachposten aufgestellt werden, um die Menschenmengen in der Rue Quincampoix zu zerstreuen«, fuhr Honfleur schwärmerisch fort. »Was für ein Alchemist ist dieser Mann, der Papier wertvoller gemacht hat als

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