Der Apotheker: Roman (German Edition)
Würgen im Rachen.
»Behalt es ruhig für dich«, stieß ich hervor und schüttelte wütend meine Hand. »Mich interessiert nicht, was für eine erbärmliche Zukunft du für mich eingefädelt hast. Was kümmert mich solch dummes Zeug, jetzt, wo mein Leben zerstört ist?«
Meine Mutter erwiderte nichts. Mit teilnahmsloser Miene sah sie mir zu, wie ich polternd eine Teetasse aus dem Regal nahm. Der Tee war dünn, Brösel getrockneten Salbeis schwammen auf seiner Oberfläche. Ich stellte ihr brüsk die Tasse vor die Füße und trat wieder ans Feuer. Mein Gesicht brannte, und unvergossene Tränen drängten hervor. Ich würde ihr nicht die Genugtuung verschaffen, mich weinen zu sehen. Langsam, als würde ihr die Bewegung Schmerzen bereiten, beugte sie sich hinunter und griff nach der Tasse. Ich hörte, wie sie schlürfte. Mich ekelte vor diesem Geräusch. Dann räusperte sie sich.
»Du fährst nach London, mit der Postkutsche, am nächsten Markttag«, sagte sie ruhig.
Ich schnellte herum. »Was?«
»Du hast richtig gehört, Kind«, sagte sie, den Kopf über die Tasse gebeugt. »Nach London. Ich habe dort eine Anstellung für dich. Bei einem Apotheker. Einem ehrenwerten Mann.«
»Aber …«
»Dort weiß man, was zu tun ist. Für alles, was an Kosten anfällt, ist gesorgt, auch für ein kleines Taschengeld, das dir die Reise erleichtern soll. Wir haben ein Jahr vereinbart, vielleicht auch länger, wenn du ihnen gefällst. Auf diese Weise wird kein Verdacht aufkommen. Drei Pfund pro Jahr und ein neues Gewand, das ist unter diesen Umständen nicht schlecht.«
Mama Tally hob den Kopf und blickte mich mit einem schiefen Lächeln an. Ihre kleinen Augen zeigten ein ungewöhnliches Funkeln, was bestimmt daran lag, dass von Geld die Rede war. Sie war eine gierige kleine Elster, meine Mutter, und nie glücklicher, als wenn man ihr etwas Glänzendes vor die Nase hielt. Mit einem Mal spürte ich, wie mir wieder schwindelig wurde. Ich griff nach der Kaminbrüstung, um mich festzuhalten, und drückte die Stirn gegen den Stein.
»Und wie viel hat er dir gezahlt, Mutter?«, flüsterte ich. »Damit du mich verkaufst?«
Mama Tally tat, als hätte sie mich nicht gehört.
»Und was den Jungen angeht – er wurde heute Morgen nach Newcastle geschickt.« Sie starrte mit finsterem Blick zu Boden. »Er wird schnurstracks in die Kolonien aufbrechen. Wir sollten zu Gott beten, dass sein Schiff sinkt und er für die Fische eine hübsche Mahlzeit abgibt.«
Wankend richtete ich mich auf, um sie anzusehen.
»Ich verbiete dir, so über meinen Mann zu sprechen«, sagte ich, aber meine Lippen waren weiß und steif und formten die Worte nur mühsam.
»Es gibt keinen Ehemann, jetzt nicht mehr. In London wirst du als eine Witwe gelten, deren Gemahl auf See ertrunken ist. Das ist das Beste. So bist du frei und kannst einen Neuanfang machen. Dein Lohn reicht für eine Aussteuer. Es heißt, in London sind Ehemänner nicht billig zu haben.«
Ihre Stimme zitterte, und sie vergrub das Gesicht in ihrer Tasse.
»Er wollte dich mit einem Händlerwagen nach London schicken, dieser geizige Schurke, aber das kam für mich nicht infrage«, murmelte sie in ihren Tee. »Von so einem Mistkerl lasse ich mich nicht einschüchtern, sosehr er sich mit seinem ganzen Reichtum auch aufplustert.«
»Ich bin eine verheiratete Frau«, sagte ich mit wachsender Verzweiflung. »Mein Mann lebt, was immer du behauptest. Man kann mich nicht verkaufen wie einen Neger.«
Mama Tally knallte ihre Tasse auf den Tisch. »Erzähl du mir nicht, was ich tun kann und was nicht, Mädchen. Du wirst nach London gehen und vergessen, was gewesen ist, und du wirst für dein Glück dankbar sein. Nicht viele bekommen eine zweite Chance.«
Und so kam es, dass ich fortgeschickt wurde, im Stich gelassen nicht nur von meinem ehemaligen Mann, sondern auch von der eigenen Mutter. Sie hätte mir gewiss helfen können, hätte sie nur gewollt. Schon lange kamen immer wieder Frauen aus der Gemeinde zu ihr, die sich in Schwierigkeiten befanden, und mit ihren Tees gegen Bauchschmerzen hatte sie sich einen gewissen Ruf erworben. Aber sie weigerte sich. Sie hatte sogar die Stirn, mich für meine Torheit zu tadeln. Auch wenn sich die Dinge nicht so gefügt hätten, wie wir es uns wünschten, müsse man daraus Nutzen ziehen, und einen Nutzen würde ich haben, auch wenn es das Letzte sei, was sie mich zu tun heiße. Sie bestritt, dass sie mich loswerden wolle, und behauptete, es sei nichts damit
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