Der Architekt
Sohn hatte also auch mit den Grundstücken zu tun, die Sie durch Herrn Götz und seine Firma Götz Town Structures haben bebauen lassen.«
»Aber ja.« Gebhart reckte sich hoch, gab seiner Stimme einen wohlwollenden Klang. »Die Grundstücke, die wir mit Herrn Götz und seinen Mitarbeitern erschlossen haben, lassen sich hervorragend vermarkten. Und natürlich: Wer, wenn nicht Sebastian, sollte sich darum kümmern? Können Sie sich vorstellen, was ein Projekt wie die städtebauliche Strukturierung der Heidestraße für einen Aufwand bedeutet?«
Bens Blick ruhte auf Gebhart, während der Mann auf die Fragen des Richters antwortete. Unwillkürlich musste Ben auch an Sebastian denken, dessen Züge längst nicht so scharf gezeichnet waren wie die seines Vaters, der Gebhart aber dennoch ähnlich sah, so wie eine eilig gefertigte Kopie einem wertvollen Original ähnlich sehen mochte.
Christine, Sebastian, Sophie …
Ben wusste, dass die Staatsanwaltschaft mehrfach versucht hatte, Sebastian eine Verbindung zu dem Mord an Lillian Behringer nachzuweisen. Er selbst, Ben, hatte sich darum bemüht, Belege dafür beizubringen. Lag es nicht auf der Hand, dass Sebastian alles daran gesetzt hatte, ihn, Ben, als Schlüssel zum Mordfall Götz hinzustellen? Das Alibi von Lillian Behringer – was hätte es Götz schon genutzt? Wie hätte das Gericht sicher sein können, dass sie nicht log, Götz nur deckte? Dass Aufnahmen von Götz in der Tiefgarage gefunden würden, hatte zu diesem Zeitpunkt ja niemand wissen können!
Nein, dessen war Ben sich sicher: Lillians Alibi war es nicht, was Götz wirklich hätte helfen können – und das musste Sebastian zu diesem Zeitpunkt auch sehr klar gewesen sein. Das Einzige, was Götz in seinem Prozess hätte helfen können, war, einen Unbeteiligten zu präsentieren, der mit einem Schlag wie eine Antwort auf alle offenen Rätsel und Fragen wirkte!
Das war es doch, was Götz am meisten belastet und die Anklage gegen ihn so zwingend gemacht hatte: dass es keinerlei Spuren eines unbekannten Täters am Tatort gegeben hatte!
Wer, wenn nicht Götz selbst,
kam denn dafür in Frage, Christine und die beiden Kinder erschlagen zu haben? Wer, wenn nicht der für sein Temperament, seine Eigenwilligkeit und Unberechenbarkeit bekannte Star-Architekt! Deshalb gab es auch nur eine Möglichkeit, ihm zu helfen: Es musste jemand gefunden werden, der an Götz’ Stelle als Täter in Frage kam und mit den Morden in Verbindung gebracht werden konnte. Denn dann würde es heißen: Wer war der Täter? Der erfolgreiche Star-Architekt oder der andere?! Und im gleichen Moment – Ben war sich sicher, dass Sebastian so gedacht hatte – würde es auch nicht mehr schwierig sein, nachzuweisen, dass eben nicht
Götz,
sondern
der andere
für die drei Toten in der Villa verantwortlich war. Umso mehr, wenn der andere ein etwas undurchsichtiger Drehbuchautor war, der beruflich in Schwierigkeiten steckte –
und mit dem Mordfall Lillian Behringer in Verbindung gebracht werden konnte!
Ben stützte die Ellbogen auf die Knie und zog den Kopf zwischen die Schultern. Er merkte, dass er damit hinter der Holzbrüstung unwillkürlich die gleiche Position einnahm, mit der auch schon Götz seinen Prozess abgesessen hatte. Aber es störte ihn nicht.
Er war ihnen praktisch in die Arme gelaufen! Er war ja geradezu versessen darauf gewesen, mit dem Fall zu tun zu bekommen, er hatte sich ihnen förmlich
aufgezwungen!
Kein Wunder, dass Sebastian Sophie gedrängt hatte, das Kinder-T-Shirt als Beweisstück in seiner, Bens, Wohnung zu plazieren. Und dann, kaum konnte Sebastian sicher sein, dass Sophie ihre Aufgabe erledigt hatte, hatte er den Mord an Lillian Behringer in Auftrag gegeben. Ben war davon überzeugt, dass Sebastian die Tat nicht selbst ausgeführt hatte. Mit Sicherheit hatte er genügend Männer an der Hand, die das für ihn erledigten – Männer, die zusammen mit ihm und seinem Vater das versteckte Haus im Haus betrieben! Und es war auch klar, woher Sebastian den Zeitpunkt gewusst hatte, an dem er Lillian töten lassen musste. Sebastian wusste ja, dass Ben versuchen würde, mit Lillian in Kontakt zu treten, Götz selbst hatte Ben schließlich damit beauftragt. Sebastian musste nur warten, bis es so weit war, bis Ben Lillian in ihrer Wohnung aufsuchte.
Und warum? Warum hatte Sebastian das für Götz getan? Warum war er davon besessen gewesen, Götz zu helfen? Es konnte nur eine Erklärung geben: Götz war der Architekt des
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