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Der Architekt

Der Architekt

Titel: Der Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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Bauchgefühl, das dich zuerst dazu gebracht hat, diesen Stoff vorzuschlagen, hat das nicht mehr viel zu tun. Was dir jedoch dein Kopf nahelegt – das hat irgendwie nicht mehr richtig Kraft, verstehst du? Es ist ja nicht wirklich das, was du willst! Es ist vielmehr das, von dem du dir
sagst,
dass du es
wollen musst,
damit sie dir den Auftrag nicht wegnehmen! Aber die Leute, die sich das bestellt haben, die wollen es ja auch nicht wirklich, sie schreiben es ja nicht selbst, sie bestellen es nur bei dir. Und allzu oft tun sie das nur deshalb, weil sie denken, dass es das ist, was der
Zuschauer
sehen will. Oder besser gesagt: was so viele Zuschauer wie möglich sehen wollen. Doch dieses Kalkül geht nicht auf! Denn letztlich will das, was sie dann bei dir bestellen, niemand wirklich. Sie nicht, du nicht – und so viele Zuschauer wie möglich auch nicht, denn wer soll das schon sein?!« Er winkte ab. »Darüber ist schon viel geredet worden, trotzdem wird das immer wieder so gemacht.«
    Er wandte sich wieder der kleinen Kaffeemaschine zu, schraubte den Deckel fest und stellte sie auf die Gasflamme.
    »Ich habe deshalb jetzt auch mit einem anderen Projekt angefangen.«
    »Ach ja?«, hörte er sie hinter sich sagen.
    Er hatte den Entschluss gefasst, als er am Nachmittag erneut eine Nachricht von Hellwig auf seiner Mailbox gefunden hatte.
    »Warum rufst du denn nicht an«, hatte Hellwig darauf gesprochen. »Ich habe jetzt noch mal mit dem Sender geredet. Sie würden sich wirklich freuen, wenn du das Buch machen würdest. Nur mit dem Banküberfall haben sie ein Problem. Den müsstest du also noch rausnehmen.«
    Dabei war der Banküberfall das Einzige gewesen, was Hellwig an dem ganzen Buch gefallen hatte! Plötzlich hatte Bens Entschluss festgestanden. Kein Drehbuch. Kein Banküberfall. Keine Überarbeitung. Keine Ablehnung. Kein Sender. Kein Film. Er würde Hellwig absagen. Genau! Er, Ben, würde etwas anderes machen. Und zwar ein richtiges Buch. Kein Drehbuch. Ein richtiges Buch über einen richtigen Fall. Einen Tatsachenbericht. Ein ganzes Buch über einen einzigen Fall. So wie Truman Capote in
Kaltblütig
ein ganzes Buch über einen einzigen Mordfall geschrieben hatte, so würde er, Ben, ein ganzes Buch über den Fall Julian Götz schreiben! Die Idee hatte ihn förmlich angesprungen, und er hatte gespürt, wie ihn die Aufregung gepackt hatte. Er hatte Götz hinter seiner Holzbrüstung stehen sehen und gewusst, dass es genau das war, was er machen wollte. Ben freute sich geradezu darüber, wie Hellwig sich ärgern würde. Es geschah ihm recht. Hellwig hätte sich eben doch die Mühe machen müssen, das Drehbuch Wort für Wort durchzugehen.
    »Was denn für ein Projekt?« Sibylle sah Ben neugierig an.
    »Ich war heute in Moabit, bei einer Verhandlung … Es war der Wahnsinn.«
    Ben zögerte. Verriet er nicht zu viel von sich? Mit dem Buchprojekt hatte er erst heute Nachmittag begonnen – und schon sprach er davon? Eigentlich hatte er die Erfahrung gemacht, dass es einem Vorhaben nicht gut bekam, wenn man zu früh darüber redete.
    Sibylle lehnte sich in der Couch zurück. ›Geh zu ihr hin, knie dich vor sie, pack sie an den Hüften, vergrab dein Gesicht an ihrem Hals.‹
    »Sie machen da einem Mann den Prozess, der drei Menschen umgebracht haben soll.«
    Sie wandte den Kopf ein wenig zur Seite.
    Ben ging um den Küchentisch herum und trat an die Couch.
    »Weißt du, welche drei Menschen?« Sie sah ihn an.
    »Seine Frau und seine beiden Töchter.«
    »Das ist ja furchtbar.«
    ›Vielleicht kannst du mit der Nase den Pullover hochschieben. Hat sie ein T-Shirt drunter?‹
    »Die waren sechs und acht Jahre alt. Svenja und Pia.«
    Sibylle beugte sich nach vorn.
    ›Jetzt geht es nicht mehr!‹
    Plötzlich sah Ben den Staatsanwalt vor sich, einen massigen Mann mit spärlichem Haar, der in seinen Papieren geblättert hatte, nachdem Götz seine Ausführungen beendet hatte.
    »Bewegende Worte, Herr Götz, kein Zweifel«, hatte er gesagt, »und seien Sie versichert, dass die Gefühle, von denen Sie eben gesprochen haben, jeder hier im Saal respektiert, ich an erster Stelle.« Der Staatsanwalt hatte aufgesehen, zu Götz, der Richter hatte ihm das Wort erteilt. »Tatsächlich weiß auch ich nicht, was sich am Fünfundzwanzigsten in Ihrem Haus ereignet hat. Ich weiß nur, dass es schon immer unzählige Gründe gab, weshalb Männer ihre Frauen erschlagen haben. Und ich weiß noch etwas. Nämlich dass in dem Moment, in dem es zu

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