Der Architekt
sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Bett, sondern steht wahrscheinlich eher davor als daneben. Als sie am Boden liegt, schlägt er noch einmal zu – dieser zweite Schlag ist tödlich. Aber das weiß er nicht. Es gibt Anzeichen dafür, dass er sich, die bluttropfende Lampe in der Hand, jetzt zur Tür wendet, in der Svenja aufgetaucht ist. Das Mädchen muss durch das, was sie im Schlafzimmer sieht, vollkommen paralysiert gewesen sein. Sie läuft nicht weg. Wir haben eine Spur des Blutes ihrer Mutter an Svenjas Handgelenk gefunden, was darauf hindeutet, dass der Täter das Mädchen festgehalten hat. Es gibt jedoch, wie gesagt, auch Blut von Svenja im Schlafzimmer, gleich bei der Tür. Es liegt deshalb nahe anzunehmen, dass er mit der Lampe zugeschlagen hat – ihr Schädel ist an der linken Seite zertrümmert. Der Täter kehrt jedoch danach noch einmal zurück und schlägt ein drittes Mal auf die bereits tot am Boden liegende Frau ein.«
Bens Stift flog übers Papier. Aber der Mann sprach schon weiter.
»Dann hebt er die Tochter, also die Tochter von Frau Götz, hoch, und trägt sie in ihr Zimmer.« Der Zeigestock wanderte über die Galerie, die die Zimmer des oberen Stockwerks miteinander verband, an der Treppe vorbei, die auf die Galerie führte, bis in das vordere Kinderzimmer, das zum Garten hin lag. »Er lässt das Kind auf den Boden fallen, kehrt ins Schlafzimmer zurück, durchwühlt die Frisiertoilette von Frau Götz, findet eine Schere, geht zurück zu Svenja, sticht mehrfach« – der Sachverständige blickte in die Unterlagen, die er in der anderen Hand hielt –, »insgesamt neun Mal, in den Oberkörper des Kindes, wobei er auch die Halsschlagader trifft.«
Ben sah zur Anklagebank. Von Götz war nichts zu sehen. Er hatte sich hinter seiner Holzbrüstung verkrochen. Die Mienen der Verteidiger wirkten wie erstarrt.
»Dann geht er in das Zimmer der anderen Tochter, Pia, die trotz des erheblichen Lärms weitergeschlafen zu haben scheint. Möglich ist allerdings auch, dass sie etwas gehört hat, aufgewacht ist, jedoch Angst bekommen hat und deshalb im Bett liegen geblieben ist. Wir haben in ihrem Zimmer einen Abdruck, der von einem Schuh stammt, dessen Sohle mit Blut bespritzt war. Der Abdruck ist jedoch mit einem Pullover des Kindes oberflächlich abgewischt worden, so dass er keinerlei Rückschluss auf Größe oder Schuhsorte zulässt. Der Pullover des Kindes befand sich ebenfalls in ihrem Zimmer.«
Der Zeigestock tippte wieder auf das zweite Kinderzimmer. »Offensichtlich hat sich der Täter entschieden, nicht mit der Schere auf die Sechsjährige loszugehen. Die Schere liegt zwar in Pias Zimmer, es sind aber damit keine Verletzungen zugefügt worden. Stattdessen muss er erneut ins Schlafzimmer der Eltern gegangen sein, um die Lampe zu holen. Natürlich könnte er Schere und Lampe auch gleich
zusammen
geholt haben, es gibt jedoch keine Spuren, die darauf hindeuten, dass er die Lampe zwischendurch
abgelegt
hat – und es ist unwahrscheinlich, dass er mit der Lampe in der Hand mit der Schere auf Svenja losgegangen ist. Wir gehen deshalb davon aus, dass er erneut zurück ins Schlafzimmer gegangen ist, um die Lampe zu holen, und dass er damit dann in Pias Zimmer gegangen ist, während das Kind noch immer in seinem Bett gelegen haben muss. Er hebt die Lampe über den Kopf, von den Blutstropfen an der Decke war bereits gestern die Rede, schlägt drei, vier Mal mit aller Kraft zu. Das Kind ist sofort tot. Er lässt die Lampe fallen, sieht den Fußabdruck am Boden, greift den Pullover, der auf einem der Stühle gelegen haben wird, auf denen sich die Kleider des Mädchens befanden, wischt den Abdruck oberflächlich ab, wirft den Pullover in die Ecke und verlässt das Zimmer.«
Der Sachverständige legte das Papier, das er in der Hand gehalten hatte, zurück auf den Tisch. »Wie der Täter das Haus verlassen hat, ist nicht klar. Es gibt dafür mehrere Möglichkeiten. Die Terrassentür, auch das ist bereits gesagt worden, war nicht verschlossen, aber natürlich ist auch denkbar, dass er das Gebäude durch die Haustür verlassen hat – vorausgesetzt, er verfügte über einen Schlüssel.«
Der Richter nickte. »Fragen?« Er sah zum Staatsanwalt.
»Das heißt«, sagte dieser und nahm den Sachverständigen in den Blick, »dass alle Verletzungen, die an den drei Opfern festgestellt worden sind, durch Tatwaffen erklärt werden können, die bereits
vor der Tat
zum Inventar des Hauses gehörten?«
»Ja, bei der
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