Der Architekt
Lampe besteht da gar kein Zweifel – und die Schere wurde von Frau Koch, der Reinigungskraft, ebenfalls eindeutig identifiziert. Die Schere habe schon lange zu den Dingen gehört, die Frau Götz in ihrer Frisiertoilette aufbewahrte, hat sie ausgesagt.«
»Wir müssen also davon ausgehen, dass der Täter keine Waffe mitgebracht hat.«
»Zumindest, dass er die Tat damit nicht ausgeführt hat, auch wenn er eine Waffe mitgebracht haben sollte.«
»Was wiederum dafür spricht, dass die Tat nicht vorsätzlich ausgeführt worden ist, sondern sich aus der Situation heraus ergeben hat, etwa durch einen Streit, der seinerseits wiederum im Schlafzimmer ausgebrochen sein müsste.«
»Ich denke, dass ein solcher Tatablauf sich aus den Spuren am kohärentesten ableiten lässt. Gleichzeitig kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass es sich auch anders zugetragen haben könnte.«
»Weitere Fragen?« Diesmal blickte Hohlbeck zum Verteidiger.
›Er hat sich mit ihr gestritten, nach der Lampe gegriffen, zugeschlagen – seine Tochter hört was, er schlägt sie nieder.‹ Ben spürte, wie seine Hand verkrampfte, während er sich Notizen machte. ›Dann geht er zur Kleinsten und tötet auch sie – er kann nicht wissen, ob sie was gehört hat.‹
Er hielt mit dem Schreiben inne. Entfernt hörte er die Stimme des Verteidigers, aber seine Gedanken waren in dem Haus, in dem es passiert ist. Unwillkürlich wanderte sein Blick zur Anklagebank.
Ben stutzte. Ein Augenpaar war direkt auf ihn gerichtet! Der ganze Raum schien sich auf diesen Blick zu verengen. Götz! Er musste just in dem Moment, in dem Ben aufgesehen hatte, mit seinem Blick an ihm hängengeblieben sein. Ben schwindelte es. Es kam ihm so vor, als ob ein Tier hinter der Holzbrüstung sitzen würde.
Götz’ Blick zuckte weg. Ben spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Er legte den Schreibblock zur Seite, atmete aus. Götz hatte sich wieder hinuntergebeugt, nur ein Stückchen seines Rückens war hinter der Holzbrüstung zu sehen.
17
Der Wagen glitt die Abfahrt hinunter. Eine Betonwand schien vor Mias Fenster aufzusteigen, dann verschluckte der Tunnel das Fahrzeug. Dumpf hallte das Motorengeräusch in der Röhre. Auf beiden Seiten schossen Autos an ihrem Wagen vorbei, die rot aufleuchtenden Rücklichter brannten Mia in den Augen. Marco betätigte den Blinker, scherte auf die rechte Fahrspur aus. Dunja hatte sich in ihren Sitz zurückgelehnt und die Augen geschlossen.
Eine Zeitlang durcheilte der BMW mit den anderen Fahrzeugen die Betonröhre, dann schwenkte Marco noch einmal leicht nach rechts. Die Rücklichter der anderen Autos entfernten sich in der diesigen Luft des Tunnels, es wurde leiser, der Wagen holperte über eine Schwelle. Das metallische Rauschen eines geschlossenen Raumes, der von den Schwingungen der Stadt um ihn herum zu einem Klangkörper gemacht wurde.
Sie waren in die Ebene einer Tiefgarage geglitten. Auf beiden Seiten waren Autos geparkt. Marco fuhr bis zum Ende der Ebene durch, schwenkte in eine weitere Abfahrt ein. Mia legte sich automatisch ein wenig nach rechts, als der Wagen die engen Windungen der spiralförmigen Abfahrt hinunterfuhr. Die Reifen quietschten hell über den glatten Betonboden, dann ließ der Druck nach, Marco war zwei Stockwerke tiefer erneut in eine Parkebene eingeschwenkt. Hier standen keine Fahrzeuge mehr. Er fuhr bis zu einer Kette vor, die die Durchfahrt zum hinteren Bereich der Ebene versperrte, hielt an und stieg aus. Durch die Windschutzscheibe hindurch beobachtete Mia, wie er zu der Kette ging, sie aushängte und leise rasselnd zu Boden gleiten ließ.
Dann schwang er sich zurück hinters Steuer und fuhr über die Kette in den dahinterliegenden, nur schlecht beleuchteten Bereich des Parkhauses. Mia ließ das Fenster herunter, kühl schlug ihr die benzingeschwängerte Luft entgegen.
»Kannst gleich wieder zumachen.« Es war Dunja. »Da hinten ist es.« Sie deutete durch die Frontscheibe auf eine Tür, über der eine kleine Neonlampe hinter Milchglas glomm.
Sanft kam der Wagen zum Stehen. »Ich häng die Kette wieder ein, ihr könnt schon vorgehen.« Marco stieg als Erster aus.
Mia stieß die Tür auf und wand sich aus dem Wagen. Es war wie eine Erleichterung. Das Schweigen in dem Fahrzeug hatte zuletzt wie ein Alpdruck auf ihr gelastet.
18
»Lassen Sie mich das noch mal zusammenfassen.« Ein gedrungener Mann mit grauem Haarkranz, einem Kopf, der tief zwischen den Schultern steckte, und einer kleinen Brille
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