Der Architekt
Structures« leitete. Bisher war es Ben nicht in den Sinn gekommen, sich dort einmal umzusehen. Doch jetzt beschloss er, dass es höchste Zeit war.
Götz Town Structures. Das funkelnde Messingschild mit dem Logo der Firma prangte neben einer gut sechs Meter hohen Glastür, dem Eingang in ein mit Steinquadern verkleidetes Hochhaus. Steil ragte die Fassade hinauf in den noch immer verhangenen Himmel über der Stadt und erinnerte mit ihren hineingemeißelten, überdimensionalen Buchstaben und den vergoldeten Mauervorsprüngen an Bauten in New York oder Chicago kurz nach der vorletzten Jahrhundertwende. Die unteren zwölf Stockwerke des Turms waren von einem Luxushotel belegt, vor dessen pompösem Eingang ein livrierter Portier den Chauffeuren dabei zusah, wie sie an ihren Limousinen lehnten und sich gegenseitig ihre Armbanduhren zeigten. Die Glastür neben dem Messingschild von Götz’ Firma jedoch führte nicht in das Hotel, sondern in einen Seiteneingang, der den Besuchern der übrigen Stockwerke des Hochhauses vorbehalten war. Unterhalb des Schildes war eine Klingel in die Mauer eingelassen, die Ben kurzerhand betätigte.
»Ja?« Metallisch klang die Stimme einer Frau zu ihm nach draußen.
»Henning Jacoby hier, es geht um den Alexanderplatz.«
Es surrte. Ben drückte gegen das Glas, es klickte und die Tür gab nach.
Das Foyer passte zum Neo-Art-déco-Schick der Fassade. Marmorverkleidungen, in die Höhe aufragende Steinplatten, Chrom. Ein Schild zeigte an, dass Götz Town Structures im vierzehnten Stockwerk des Hauses untergebracht war.
Ben ging zum Fahrstuhl und rief die Kabine. Er vermutete, dass sich direkt vor den Fahrstuhltüren im vierzehnten Stock ein Counter mit der Dame befinden würde, die ihm gerade die Tür geöffnet hatte. Dort würde er nicht so einfach damit durchkommen, dass er in Sachen Alexanderplatz unterwegs wäre. Sie würde wissen wollen, mit wem er einen Termin habe, um den Mitarbeiter rufen zu können, der ihn abholen sollte.
Die Fahrstuhltüren öffneten sich. Ben trat in die Kabine und drückte auf die Taste mit der Zahl 17 .
Als die Türen nach lautloser Fahrt wieder zurückwichen, erschien eine ganz im Stil des Gebäudes gestaltete Vorhalle. Linker Hand befand sich eine blickdichte Tür aus Rauchglas, an der Wand daneben ein dezentes Schild. Eine Anwaltskanzlei.
Ben trat aus der Fahrstuhlkabine heraus und sah sich um. Neben dem Fahrstuhl lag eine weitere Tür, die, wie einem Piktogramm zu entnehmen war, zu einer Sicherheitstreppe führte. Ben zückte sein Handy und wählte die Auskunft. Als er verbunden war, verlangte er mit gedämpfter Stimme, an das Architekturbüro Götz Town Structures weitergeleitet zu werden. Während die Verbindung aufgebaut wurde, öffnete er die Tür zum Notausgang und blickte eine einfache, kahle Betontreppe hinab, die so aussah, als würde sie nie benutzt werden.
»Götz Town Structures.«
»Jaschke, vom Hotel nebenan.« Diesmal verstellte er seine Stimme ein wenig. »Spreche ich mit dem Empfang des Architekturbüros?«
»Ja?«
»Bei uns ist versehentlich ein Paket für Sie abgegeben worden. Könnten Sie bitte jemanden runterschicken, um es abzuholen?«
Er hörte, wie die Frau aufstöhnte.
»Ach, und schicken Sie mir bitte keinen Praktikanten«, ergänzte er mit Chefrezeptionistenstimme. »Es muss die Empfangsbestätigung unterschrieben werden. Am besten, Sie kommen gleich selbst, ja?«
»Ja, vielen Dank.« Sie legte auf.
Ben verließ das Treppenhaus wieder und begab sich zum Fahrstuhl. Über der Tür zeigten Zahlen an, in welchem Stockwerk sich die Kabine befand. Keine der Zahlen leuchtete.
›Und wenn sie gerade zu tun hat – und sich erst in einer halben Stunde auf den Weg macht?‹
Die Rauchglastür der Anwaltskanzlei knackte leicht. Ben sah sich um. Ein Herr in Anzug und Mantel, Aktentasche in der Hand, trat heraus und schaute mit leicht irritiertem Blick zu ihm herüber.
»Tag«, warf Ben betont achtlos über die Schulter und wollte gerade den Fahrstuhl rufen, als er sah, wie oben die 16 aufleuchtete. Gedämpft war durch den Spalt zwischen den Türen zu hören, wie die nach unten sinkende Kabine die Luft verdrängte.
15 .
14 .
Bei der Vierzehn blieb die Anzeige stehen.
»Haben Sie schon gedrückt?« Der Anzugtyp neben Ben hatte das Gesicht verzogen.
Das Licht wanderte weiter. 13 , 12 …
»Ja, ja, natürlich«, murmelte Ben, ohne den Mann anzusehen, und wandte sich zur Treppe. Er war ungeduldig, lief lieber, als ewig auf
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