Der Architekt
den Fahrstuhl zu warten, das war doch offensichtlich, oder?
Dumpf klappte die Feuertreppentür hinter ihm zu. Zwei Stufen auf einmal nehmend, lief er nach unten. An der mannshohen, dunkelblauen 16 vorbei, der 15 , bis zur hellblauen 14 . Dort stieß er die Treppenhaustür auf.
Ein kleiner Vorraum. Auf der linken Seite wieder eine Glastür, diesmal jedoch eine, durch die man hindurchsehen konnte. Der hellbraune Teakholzcounter dahinter war leer.
Ben schob die Glastür auf.
35
Das Großraumbüro, das sich hinter dem Counter eröffnete, nahm das gesamte Stockwerk des Hochhauses ein. Auf allen vier Seiten gaben Fenster den Blick auf die Stadt frei. In der Mitte des Raumes waren in regelmäßigen Abständen große Tische aufgestellt, an denen schlaksige, junge Männer mit Dreitagebart und Glatze sowie energisch wirkende Frauen in minimalistischen Designer-Outfits arbeiteten.
Gruppen von drei, vier Kollegen beugten sich über einen Plan oder einen Computerbildschirm, vereinzelte Mitarbeiter tüftelten an Zeichnungen oder Tabellen. Auf halbhohen Cupboards, die rings um das Büro und in einer Kreuzform quer durch es hindurch verliefen, waren Modelle der verschiedensten Projekte ausgestellt.
Ben lief am Cupboard in der Mitte entlang und betrachtete die Modelle. Das Modell eines Turms, einer ganzen Lagerhallenlandschaft, des Gebäudes, in dem er sich gerade befand. Daneben eine maßstabgetreue Miniaturausgabe des Projektes, auf das er in dem Buch über Götz gestoßen war. Das Dach war hochgeklappt, und die Miniatur sah aus wie eine Puppenstube, in deren bunte, glitzernde Innenkonstruktion aus Glas man hineinschauen konnte.
Eine Frau, die an einem Tisch gleich neben dem Cupboard saß, sah von ihrer Arbeit auf und warf Ben einen Blick zu. Er nickte freundlich, wanderte weiter. Sie dachte nicht einmal daran, ihn aufzuhalten. Natürlich nicht. Wer konnte schon wissen, ob er nicht ein wichtiger Auftraggeber war?
Erst jetzt fiel ihm auf, dass auf der rechten Seite des Büros mehrere Glaskästen vom übrigen Raum abgetrennt waren. In einem der Kästen stand ein ovaler Tisch, um den herum einige Mitarbeiter saßen, Jacketts über den Stuhllehnen, einer von ihnen hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Am vorderen Ende des Tischs stand eine etwas ältere Dame neben einem Projektor, der hinter ihr ein Bild an die Wand warf.
In dem Glaskasten direkt daneben befand sich eine Teeküche, und in dem letzten der drei Kästen stand nichts als ein gewaltiger Schreibtisch, der aussah, als habe Göring persönlich dort den Bau Carinhalls mit Speer besprochen.
Ben atmete aus, löste sich von dem Cupboard mit den Modellen und schlenderte durch den Raum auf den Glaskasten mit dem Schreibtisch zu.
Ein junger Mann in engen Stoffhosen kam ihm entgegen. Ben lächelte. Der Mitarbeiter blieb ernst, grüßte flüchtig und ging an ihm vorbei. Ben erreichte die Tür des Kastens, sah sich nicht mehr um, schob sie einfach zurück. Er fühlte, wie sein Rücken aufglühte, als würde er von Blicken durchbohrt, ließ sich davon jedoch nicht einschüchtern, sondern ging um den Schreibtisch herum und setzte sich wie selbstverständlich in den breiten Stuhl dahinter.
An der Wand, die seinen Kasten von der Teeküche trennte, hingen mehrere Pläne, so dass man ihn vom Konferenzraum aus nicht sehen konnte. Von den Blicken aus dem Großraumbüro jedoch wurde er nur durch den riesigen Monitor des Computers abgeschirmt, der auf dem Tisch stand. Flüchtig schaute Ben über den Bildschirm hinweg. Kein Blick war auf ihn gerichtet. Niemand hatte ihn in den Glaskasten hineingehen sehen. Doch lange würde sein Eindringen sicher nicht unbemerkt bleiben.
Bens Blick flog über den Schreibtisch, sein Atem hatte sich merklich beschleunigt. Götz hatte offensichtlich nicht mehr die Zeit gefunden, Ordnung zu schaffen. Grundrisse, Skizzen, Kalkulationen, Briefe und Bücher stapelten sich wild durcheinander auf der Arbeitsplatte. An der linken Ecke des Tisches gleich bei der Tür lag ein größeres, gelbes Kuvert, adressiert an Julian Götz, noch verschlossen. Es musste dorthin gelegt worden sein, nachdem Götz bereits nicht mehr ins Büro gekommen war. Ohne nachzudenken, zog Ben das Kuvert an sich, schob einen Finger unter die Lasche, riss es mit einer raschen Bewegung auf. Das Geräusch des aufreißenden Papiers ließ ihn zusammenzucken wie ein Pistolenschuss. Jetzt musste alles ganz schnell gehen.
In dem Kuvert befanden sich mehrere DIN- A 2- Bögen,
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