Der Architekt
Tischen lungerten, sah sie Dunja auch tatsächlich auf einem Stuhl sitzen. Zu beiden Seiten war sie von Männern flankiert, die sich abwechselnd oder auch gleichzeitig zu ihr hinabbeugten, während sie sich laut lachend und gestikulierend über den Tisch lehnte, um sich immer neue Karten von der Frau geben zu lassen, die das Spiel überwachte.
Als Mia an die Gruppe herantrat, wandte sich einer von Dunjas Begleitern zu ihr um. Sein Gesicht zog sich unter der halbtransparenten Maske auseinander, und sie hatte das Gefühl, seine Stimme eierte regelrecht, als er Worte in ihre Richtung hervorgurgelte, die sie nicht verstand.
»Dunja!«
Aber Dunja hielt den Kopf geradeaus auf den Tisch gerichtet.
»Dunja, bitte!«
Mia drängte den Mann, dessen Zähne sie schon an ihrer Ohrmuschel spürte, vorsichtig beiseite, um endlich die Aufmerksamkeit ihrer Freundin zu erringen.
»Ich will gehen, ich muss raus hier, Dunja. Ich ertrage das nicht mehr«, perlten die Worte aus Mias Mund, während der Fremde sich von hinten an sie drängte, ihren ganzen Körper nach vorne schob.
Doch Dunja beachtete sie nicht. Außer sich, griff Mia ihre Freundin am Kinn, drehte ihr Gesicht so, dass sie hineinschauen konnte. Dunjas Augen hinter den Löchern der Maske wirkten, als ob sie Kontaktlinsen aus Milchglas eingesetzt hätte. Sie war wie entrückt, erkannte sie nicht.
Entsetzt ließ Mia den Kopf ihrer Freundin los. Er sackte nach hinten, aber Mia fing ihn nicht auf. Angeekelt schlug sie die Hand des Mannes beiseite, der sie von hinten bedrängte, entwand sich der Gruppe, die den Tisch umstand, und eilte aus dem Spielzimmer. Hinter sich hörte sie noch einmal das Lachen ihrer Freundin, und es klang, als wäre Dunja durch Mias Versuch, sie der gespenstischen Gruppe zu entreißen, nur kurz stehengeblieben, wie eine defekte Spieluhr.
40
… Lillian Behringer …
Ben hatte seinen Computer hochgefahren und den Namen in eine Suchmaschine eingegeben. Keine Treffer. Nur ein paar Einträge aus den USA , die nichts mit der Frau zu tun haben konnten, die Götz meinte.
Er griff nach dem Telefon auf seinem Schreibtisch und wählte Seewalds Nummer. Als er einen Assistenten des Anwalts in der Leitung hatte, ließ er Seewald ausrichten, er wolle wissen, wer Lillian Behringer sei. Herr Götz habe ihn gebeten, sie zu kontaktieren.
Ben wusste, dass es vielleicht nicht in Götz’ Interesse war, wenn Ben dem Anwalt gegenüber Frau Behringer erwähnte. Aber ganz ohne Absicherung wollte er sich dann auch wieder nicht von Götz beauftragen lassen.
Drei Stunden später rief Seewald zurück.
»Mein Mandant hat zugestimmt«, hörte Ben die Stimme des Verteidigers aus dem Hörer kommen. »Ich habe mich heute Nachmittag mit ihm in Verbindung gesetzt, und er meinte, dass es vielleicht wirklich besser ist, wenn Sie wissen, woran Sie sind.«
»Ja?«
»Frau Behringer arbeitet in ihrem eigenen Unternehmen.«
»Okay.«
»Man kann sie buchen, verstehen Sie? Für ein Abendessen, ein Wochenende, eine Reise. Aber nicht, was Sie denken«, sprach Seewalds Stimme weiter. »Herr Götz meinte, dass Frau Behringer nie mehr als mit einem … also mit einem Kunden zu tun hat.«
»Nicht, was ich denke?«
»Kein Callgirl, kein Escort, nein.«
»Sondern?«
»Herr Götz hat Frau Behringer durch einen befreundeten Bauherrn kennengelernt, dessen Namen er nicht nennen möchte. Das würde auch nichts zur Sache tun, meinte er. Seitdem habe er sich ungefähr einmal die Woche mit ihr verabredet. Und er sei mehr oder weniger davon überzeugt, dass sie niemanden außer ihn getroffen habe.«
»Aber er hat sie bezahlt.«
»Ja.«
Nachdem er aufgelegt hatte, lag Ben eine Weile unentschlossen auf dem Sofa. Sollte er sich vom Thailänder etwas zu essen bestellen? Kurzerhand griff er zum Telefonhörer, wählte dann aber nicht die Nummer des Thailänders, sondern die Telefonnummer, die Götz ihm gegeben hatte. Nach dem vierten Klingelzeichen nahm jemand ab.
»Ja?« Ihre Stimme war ein wenig rauh.
»Frau Behringer?«
»Wer sind Sie?«
»Mein Name ist Henning Jacoby«, sagte Ben. Manfred Noack habe ihm ihre Nummer gegeben.
»Wer?«
Es war einer der Bauherren, die Ben in dem Buch über Götz erwähnt gesehen hatte. »Noack. Er baut das Quartier in der Heidestraße, das Julian Götz entworfen hat.«
»Und?«
In Bens Kopf jagten sich die Gedanken.
»Das würde ich sehr gern persönlich mit Ihnen besprechen, Frau Behringer. Nicht am Telefon.«
Sie schien einen Moment zu
Weitere Kostenlose Bücher