Der Architekt
scharf.
»Was willst du –«
»Wir können sie nicht einfach so herumliegen lassen, Sophie. Es geht nicht! Es ist zu viel passiert.«
Das Arbeitszimmer! Bens Blick schnellte zum Wohnzimmer, zu der Tür auf der anderen Seite.
»Ich will damit nichts zu tun haben.«
»Das wird nicht gehen.«
Sie kamen näher – Sebastians Schritte kamen näher!
Lautlos sprang Ben die Stufen zum Wohnzimmer hinunter. Sein Blick zuckte durch den Raum. Es gab nur einen Ausweg – und er führte genau dorthin, ins Arbeitszimmer.
»Du kannst dich nicht einfach raushalten, Sophie«, polterte Sebastians Stimme hinter ihm. »Du lebst in Julians Haus. Tu doch nicht so, als ginge dich das alles nichts an!«
»Das tue ich nicht«, schleuderte sie ihm wütend entgegen. »Nur, du platzt hier einfach rein. Was fällt dir ein?«
Sebastians Schritte hallten über die Steinfliesen.
Ben wich über den Teppich zurück, stieß gegen den Sessel. Kaum hatte er die Tür zum Arbeitszimmer durchquert, hörte er Sebastians Schritte die Stufen zum Wohnzimmer herunterkommen.
72
»Hattest du nicht gesagt, du würdest heute Abend zu Hause sein?«
Veras Stimme klang gepresst. Mia konnte sie durch die Schiebetür hindurch gut hören.
Ein Mann murmelte etwas, jedoch so undeutlich, dass Mia nicht verstand, was er sagte.
Sie saß in einem lichtdurchfluteten Raum, dessen großflächige Fenster auf einen gepflegten Garten hinausgingen. Aber die Fenster hatten keine Griffe. Sollte sie durch die Scheibe hindurchspringen? Aus dem Raum heraus führte nur eine Tür, und genau davor waren die Stimmen zu hören. In den Raum hinein war sie von Vera über einen fensterlosen Gang geführt worden, der direkt vor ihrer Kammer begonnen hatte.
»Ich meine, wenn es jetzt schlecht für dich ist«, es war wieder Veras Stimme, »dann sollten wir das vielleicht ein andermal –«
»Nein, nein.« Jetzt konnte Mia auch ihn gut verstehen. »Lass uns das heute machen. Du hattest ja gesagt, dass du heute Abend mit mir etwas vorhast.«
»Ja, das stimmt«, hörte sie Veras Stimme antworten. »Ich habe mich schon darauf gefreut.« Was war los mit ihr, sie klang seltsam verzagt.
»Ich mag Überraschungen.« Es war der Mann, und es hörte sich an, als ob er lächelte. »Aber sag hinterher nicht, dass ich mich nicht genug gefreut hätte, ja?«
Veras Stimme wurde weich. »Bist du auch sicher, dass jetzt ein guter Moment ist?«
»Ja, aber ja doch!« Ein Hauch von Ungeduld hatte seine Stimme gefärbt. »Also? Lässt du mich gucken?«
73
Bens Blick zuckte durch den Raum. Das Arbeitszimmer. Der riesige Tisch mit den Plänen in der Mitte, der senkrecht gestellte Zeichentisch an der Wand. Mit zwei Sätzen war er an der Tür, die zu dem Modell unter dem Glasboden führte.
Verschlossen.
Der Teppich im Wohnzimmer dämpfte Sebastians Schritte.
Eine Schweißschicht überzog Ben vom Nacken bis zu den Handgelenken. Er fühlte, wie seine Muskeln sich strafften. Dann stand er auf dem Tisch, war wie eine Katze hinaufgesprungen, reckte die Arme in die Luft. Über seinen Fingerspitzen befand sich ein weitmaschiger Stahlrost, an dem die Beleuchtung in dem Raum aufgehängt war. Er sprang, hing, die Beine in der Luft. Hinter ihm klackten Sebastians Schuhe, er war vom Teppich herunter, und seine Schritte näherten sich der Tür.
Ben zog sich hoch, winkelte die Beine an, seine Armmuskeln glühten auf. Einen Augenblick lang hielt er sich beinahe waagerecht, dann schob er die Füße unter den nächsten Querträger und drehte sich um.
Schräg unter ihm schwang die Tür auf.
Ben stemmte sich lautlos hoch. Auf der einen Seite mit den Armen, auf der anderen mit den Füßen. Tonnenschwer wurde sein Becken, sein Rumpf, sein ganzer Körper nach unten gezogen, aber er hielt sich.
Sebastian war an der Tür stehen geblieben, schräg unter sich konnte Ben ihn sehen. Sebastian schien gleichsam Witterung aufzunehmen. Ben konnte hören, wie sein Atem durch die Nase strömte.
Beide verharrten einen Moment lang vollkommen reglos.
Langsam wandte Sebastian sich um …
Genau. Geh wieder, raus hier!
… und trat zu dem Lichtschalter, der neben der Tür in die Wand eingelassen war. Betätigte ihn.
Es surrte, knisterte, dann sprangen sie an. Dutzende Neonröhren, die an dem Rost angebracht waren, an dem Ben sich hochstemmte, und die so nach unten strahlten, dass er sich darüber im Schatten befand.
Sebastian schien nichts bemerkt zu haben. Zielstrebig trat er an den großen Tisch, der sich genau unter Ben
Weitere Kostenlose Bücher