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Der Arzt von Stalingrad

Der Arzt von Stalingrad

Titel: Der Arzt von Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Und sie lachte hell. In ihren Augen leuchtete die Jugend und das Glück zu leben … Der Rasensprenger drehte sich. Das Wasser sprühte über sie hinweg, wenn er zu ihnen schwenkte. Dann lagen sie in den Liegestühlen und tranken Orangeade … Mein Gott, Orangeade. Daran erinnerte man sich jetzt … Auf der Reitbahn im Stadtwald trabten die Pferde. Ihr Fell glänzte in der Sonne. Fröhliche Worte flogen hin und her … im Stadion, auf der großen Jahnwiese mit dem Denkmal des alten Turnvaters, jagten sie im Galopp dahin und überholten sich gegenseitig. Hell klang das Lachen durch den Sommerwind …
    Dr. Böhler zuckte zusammen und erhob sich, als Sergej Kislew die Treppe herabkam. Er sah verfallen aus, gealtert, seine Augen flackerten.
    »Du Sascha machen gesund«, sagte er bettelnd.
    »Das ist unmöglich«, sagte Dr. Böhler. Er wußte, daß ihn Kislew nicht verstand, und er legte etwas Tröstliches in seine Stimme. Der Russe hörte es heraus, und seine Augen bekamen wieder jenen Funken Hoffnung, den Dr. Böhler in allen Augen sah, wenn er bewußt die Krankheit bagatellisierte.
    »Ich würde ihn operieren, aber das kann ich hier nicht machen – nicht im Militärlazarett oder gar im Lager. Dafür sind Sie nicht eingerichtet. Er würde auf dem Operationstisch sterben! Ich brauche dazu einen gut eingerichteten Operationsraum mit den neuesten technischen Anlagen. Dann würde ich es wagen.«
    Sergej Kislew nickte wiederholt. Sein Gesicht war voll Hoffnung. »Du machen gesund?«
    Dr. Böhler sah zu Boden. »Wenn du wüßtest, wie die Wahrheit ist. Man wird nie erlauben, daß ein deutscher, kriegsgefangener Arzt in einem russischen Krankenhaus operiert. Das ist ganz unmöglich. Es wäre ein Sakrileg, wo Rußland die besten Chirurgen der Welt besitzt – wenigstens sagen sie es immer. Ich kann dir wirklich nicht helfen, Sergej Kislew.«
    Der Bauunternehmer schien die Nennung seines Namens für ein gutes Zeichen zu halten. Er faßte Dr. Böhler am Ärmel und zog ihn mit sich fort. Er führte ihn in die Küche, wo ein Mädchen arbeitete, drückte ihn auf einen Stuhl und setzte ihm eigenhändig Wurst, frische Butter, weißes Brot, Früchte – im Winter – und amerikanische Fleischkonserven vor. Das Mädchen brachte Teller und Messer.
    Mit großen Augen saß Dr. Böhler am Tisch.
    Wurst! Gute, gelbe, fette Butter! Er nahm eine Scheibe Brot, bestrich sie fast andächtig mit der Butter und legte eine Scheibe Wurst darauf. Sergej Kislew lachte hinter ihm, er griff über seine Schulter hinweg in den Wurstteller und legte ihm mit der Hand sieben Scheiben auf einmal auf das Brot. Fünf Jahre Kohlsuppe … fünf Jahre glitschiges Brot … 600 Gramm … 200 Gramm … ab und zu einmal dicke Bohnen oder eine dicke Suppe aus Kohl und Roggenmehl … Dr. Böhler aß das Brot mit den acht Scheiben Wurst. Er aß es nicht, er fraß es in sich hinein wie ein Raubtier, das hungernd herumstreifte und nun vor einer plötzlichen Beute steht. Ein Brot … zwei Brote … drei … dann legte er das Messer weg. Sein Magen war schwer wie Blei … Er erhob sich und sah, wie Kislew aus einer Flasche starken Krimwein in einen Pokal schüttete. Er trank … der Wein brannte in seiner Kehle, im Magen, in den Adern … es war, als durchströme ihn ein neues Leben.
    Dr. Böhler überblickte den Tisch. Die Fleischbüchsen waren nicht angebrochen … die Butter war halb verbraucht … ein großes, nicht angeschnittenes Stück Wurst lag daneben … Er sah sich um, sah eine Zeitung auf dem Fenster liegen, ergriff sie, rollte die Wurst, die Butter, die Büchsen in sie ein. Sergej Kislew ließ es lachend geschehen und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.
    »Sascha machen gesundd!« sagte er glücklich. »Grosssses Arrrzt!«
    Dr. Böhler biß die Zähne aufeinander. Wenn ich die Büchsen einteile und die Wurst auch, jeden Tag eine Scheibe, jeden Tag einen Teelöffel Fleisch, dann kann ich den schwersten Fällen im Lazarett eine Woche lang etwas Zusätzliches geben. Das ist eine Lüge wert, und Gott wird es mir verzeihen. Wir sind mit den Kräften am Ende im Lager. Fünf Jahre dieses Essen, und jetzt nur noch die Hälfte, weil die große Dürre im Sommer die Ernte vernichtete …
    Sergej Kislew brachte Dr. Böhler pünktlich zum Appell ins Lager zurück. Major Worotilow schwieg lange, als ihm der Arzt die Wahrheit sagte. Kislew saß im Sessel am Tisch und rauchte beruhigt.
    »Er weiß nichts?« fragte Worotilow.
    »Ich konnte es ihm unmöglich

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