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Der Assistent der Sterne

Der Assistent der Sterne

Titel: Der Assistent der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linus Reichlin
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sich wahrscheinlich gerade den Kopf. Der Kapitän hatte den Auftrag, Ilunga Likasi außer Landes zu schaffen, nach Surinam. Und plötzlich tauchte der seltsame Polizist auf und brachte Unruhe in den Plan. Der Kapitän durchsucht meine Skijacke, dachte Jensen, er findet den Dienstausweis, aber keine Waffe. Kein Durchsuchungsbefehl, nichts. Und nur ein Mann? Einer, der allein hier eindringt? Und wo bleiben seine Kollegen, warum sieht man auf dem Quai keine Einsatzwagen mit Blaulicht? Mit dem Kerl stimmt etwas nicht, das war es, was der Kapitän dachte. Er wird nicht schlau aus mir, dachte Jensen,er weiß nicht, wie weit er gehen darf. Also steckt er mich in dieses Loch und beruft sich auf das Seerecht. Da Jensen das Schiff ohne Durchsuchungsbefehl betreten hatte, konnte der Kapitän ihn zum blinden Passagier erklären. Dieser Bezeichnung haftete etwas Romantisches an, aber vor dem Gesetz war ein blinder Passagier ein Einbrecher; der Kapitän war befugt, ihn in Gewahrsam zu nehmen, bis das Schiff den nächsten Hafen erreichte. Falls die Gigantia 2, wie Jensen vermutete, noch im Leopolddock ankerte, hätte der Kapitän ihn natürlich bereits hier der Polizei übergeben müssen. Aber das ist ihm zu riskant, dachte Jensen, er wird mich mitnehmen, nach Surinam, und die Polizei wird er erst informieren, nachdem er Ilunga Likasi in Paramaribo heimlich von Bord geschafft hat.
    Und bis es so weit war, würde die Tür sich einmal am Tag öffnen. Jensen konnte sie nicht mehr sehen, aber sie lag, von der Pritsche aus, auf zwei Uhr.
    Er stand auf und ging in diese Richtung. Nach wenigen Schritten stieß er gegen eine Wand. Er tastete nach der Tür und erspürte eine Erhebung, die Verschalung der abmontierten Klinke, sie befand sich rechts von ihm. Er konnte nur hoffen, dass die Tür sich nach innen öffnete. Andernfalls würde es schwierig werden, Miguel zu überraschen, zumal dieser den Trick ja inzwischen kannte. Jensen war überzeugt, dass es Miguel sein würde, der ihm das Essen brachte; es musste ihm gelingen, ihn zu überwältigen, bevor das Schiff in See stach. Falls das nicht schon geschehen war. Aber das hätte er doch gespürt! Er war sich sicher, dass das Schiff sich nicht bewegte. Er war sich nur nicht sicher, ob er auch eine gegenteilige Wahrnehmung akzeptiert hätte. Vielleicht spürte er keine Bewegung, weil es sein Wunsch war. Wenn aber das Schiff schon in See gestochen war, konnten seine Kerkermeister diese Tür genauso gutoffen lassen, das ganze Schiff wäre ihm dann zum Gefängnis geworden.
    Nein, dachte er, wir sind noch in Antwerpen. Aber bestimmt nicht mehr lange. Die Tür musste sich in den nächsten Stunden öffnen. Und er brauchte eine Waffe.
    Jensen drehte sich um. Pritsche auf zehn Uhr. Ihm tanzten weiße Punkte vor den Augen. Bald würde er in der Dunkelheit Gesichter sehen. Das von Annick. Ein Schmerz schnürte ihm den Hals zu, diese Schweine, dachte er. Er sehnte sich nach einem harten Gegenstand, der schwer in seiner Hand liegen würde, eine Brechstange, eine Axt, er war bereit, einen Schädel zu spalten. Seine Feinde stampften in seinem Leben herum, sie zertraten alles, das ihm etwas bedeutete, sie gingen über die Leiche von Marleen, sie verwüsteten seine Zukunft, und wieder stieß er mit dem Schienbein gegen die Pritsche, gegen eine scharfe Kante. Aber der Schmerz verwandelte sich in ein Gefühl des Triumphs, denn hier gab es Eisen, Metall, daran hatten seine Feinde nicht gedacht. Er griff nach dem Eisen, die Pritsche ließ sich hochklappen, etwas quietschte, ein Scharnier, es gab Scharniere! Er tastete nach dem Quietschen und bekam etwas Vierkantiges, Kaltes in die Hand, eines der Pritschenbeine. Es baumelte am Scharnier, er drückte es in die Gegenrichtung, um es aus seiner Verankerung zu brechen; überraschend schnell sprangen die Schrauben aus der Nut, und nun besaß er mit diesem Pritschenbein eine vorzügliche Schlagwaffe. Er strich mit den Fingern über die scharfen Kanten, damit hätte er Miguel töten können. Das dämpfte seine Freude ein wenig. Die Waffe war so effektiv, dass mit ihr die Verantwortung verbunden war, sie nicht übereilt einzusetzen. Er musste seinen Wunsch, Miguel oder sonst einem seiner Feinde den Schädel einzuschlagen, zähmen und ihn in eine vernünftige Bahn lenken. Mehr alseine zertrümmerte Kniescheibe war weder notwendig noch gerechtfertigt.
    Jensen ging zur Tür zurück, ertastete erneut die Umgebung, um die vorteilhafteste Position zu finden. Dann hockte er

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