Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Assistent der Sterne

Der Assistent der Sterne

Titel: Der Assistent der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linus Reichlin
Vom Netzwerk:
Weg zum Hafen. Ihre Hilfsbereitschaft war jedenfalls groß. Den Geldschein, den Ilunga Likasi ihnen hinstreckte, lehnten sie unter theatralischen Gesten ab, um ihn dann aber doch einzustecken. Während die Männer den Wagen auftankten, überreichte Ilunga Likasi Jensen den Schlüssel.
    »Jetzt fahren Sie.«
    »Ihr Vertrauen ehrt mich«, sagte er.
    Er fuhr los. Im Rückspiegel sah er die beiden Männer noch lange winken.
    Als sie Reykjavík erreichten, stellte sich für Jensen die Frage nach dem Hotel. Er kannte ja nur eines, das Grand Hotel. Er hatte vor, dort ein Zimmer zu mieten, den nächstbesten Flug nach Brüssel zu buchen und O’Hara anzurufen. Heute war Montag, ein Tag von großem Gewicht, und es war halb ein Uhr mittags. O’Hara hatte die Biopsie wahrscheinlich bereits hinter sich.
    »Wo möchten Sie aussteigen?«, fragte er Ilunga Likasi. »Soll ich Sie zum Flughafen bringen? Es gibt dort ein Hotel. Ich schlage vor, dass ich Sie dort hinbringe. Ich könnte dann auch gleich den Wagen abgeben und alles andere regeln.«
    »Wir geben den Wagen zurück, bevor wir abfliegen.«
    »Nein, das werde ich jetzt tun. Es ist ein Mietwagen, und jemand muss ihn zum Haus zurückbringen. Wir können die anderen nicht ohne Fahrzeug …«
    »Doch! Das können wir. Wir kümmern uns zuerst um den Flug. Vielleicht können wir erst in zwei oder drei Tagen fliegen. Der Wagen bleibt so lange hier. Ich will nicht, dass Jan in Reykjavík auftaucht, bevor ich weg bin. Und er wird kommen, glauben Sie mir. Sobald er einen Wagen hat. Fahren Sie jetzt zum Grand Hotel. Dort wollten Sie doch hin, nicht? Wir werden beide im selben Hotel wohnen, das ist sicherer.«
    Jensen kapitulierte, er war müde, er musste dringend ein paar Stunden in einem richtigen Bett schlafen. Danach würde er die Pendenzen erledigen, den Wagen zurückgeben, ob es ihr passte oder nicht, und einen Fahrer engagieren, der einen Ersatzwagen zum Langjökull brachte.
    Im Grand Hotel mieteten sie zwei Zimmer. Sie bestand darauf, dass es zwei nebeneinanderliegende Zimmer sein müssten.
    »Zu meiner Sicherheit«, sagte sie.
    Er hielt ihre Befürchtungen für übertrieben. Für ihn war das Kapitel Island beendet. Es behagte ihm nicht, dass eine Protagonistin noch auf der Bühne herumstand. Er sehnte sich den endgültigen Vorhang herbei; weder mit ihr noch mit De Reuse wollte er je wieder etwas zu tun haben.
    »Dann gehe ich jetzt auf mein Zimmer«, sagte er.
    »Ich auch. Wir haben denselben Weg.«
    Schweigend fuhren sie im Aufzug in die dritte Etage.
    »Also«, sagte Jensen vor seiner Zimmertür. »Vielleicht sehen wir uns ja morgen beim Frühstück. Leben Sie wohl.«
    Sie lachte.

    Im Hotel war das Rauchen verboten. Aber in Jensens Zimmer hatte sich die Duftspur einer Zigarette erhalten; sein Vorgänger hatte offenbar heimlich zum Fenster hinaus geraucht. Jensen nahm es zum Anlass, seine Prinzipien zu überdenken. Elf Jahre Abstinenz, nur unterbrochen von einem einzigen Regelverstoß vor einem halben Jahr. Aus medizinischer Sicht war seine Lunge inzwischen wieder genauso gesund wie die eines Nichtrauchers. Wenn er jetzt, mit einundfünfzig, wieder einsteigen würde, hätte er gute Chancen, an Altersschwäche zu sterben, bevor sich ein Tumor entwickeln konnte. In seinem Alter war es folglich unvernünftig, gegen die noch immer sehr lebendige Lust auf eine Zigarette weiter anzukämpfen.
    Er setzte sich aufs Bett und rief die Fluggesellschaft an, mit der er via Amsterdam nach Reykjavík geflogen war. Er bat um eine Umbuchung, er müsse früher als erwartet abreisen, wenn möglich heute noch. Gegen eine immenseGebühr bot man ihm einen Ersatzflug an, spätabends am nächsten Tag, Umsteigen in London, mehrstündige Wartezeit auf den Anschlussflug nach Brüssel. Er erklärte sich mit allem einverstanden.
    Danach rief er O’Hara auf ihrem Mobiltelefon an.
    »Wo bist du?«, fragte sie. Ihre Stimme klang merkwürdig.
    »In Reykjavík«, sagte er. Die Verbindung war schlecht.
    »Das weiß ich«, hörte er sie sagen. »Ich fragte, wo du bist.«
    »Ich bin in Reykjavík«, wiederholte er. »Geht es dir gut? Hast du den Test schon gemacht?«
    »Ja. Heute Morgen. Wo bist du?«
    »In Reykjavík!«, rief er. »Ich bin in Reykjavík. Am Mittwoch bin ich zurück. Am Mittwoch bin ich wieder in Brügge. Bist du noch da?«
    »Die Verbindung ist nicht gut.«
    »Geht es dir gut? Ist alles in Ordnung? Du klingst so merkwürdig.«
    »Hallo? Jensen?«
    »Ich sagte, du klingst so merkwürdig. Ist

Weitere Kostenlose Bücher