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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Aufmerksamkeit der Russen und Ostdeutschen entging – das heißt bis ungefähr 1988. Das war kurz nachdem man diesem ziemlich großen (bis zu 2,10 Meter langen), langlebigen (er kann bis zu fünfzig Jahre alt werden), außergewöhnlich hässlichen, aber auch außergewöhnlich schmackhaften Fisch einen neuen englischen Namen verpasst hatte. Er wurde fortan als Chilean sea bass (chilenischer Zackenbarsch) bezeichnet und tauchte als solcher immer öfter auf den Speisekarten nobler Fischrestaurants in Nordamerika und Europa auf.

    Das erschreckende Erscheinungsbild des Schwarzen Seehechts und sein ursprünglicher, wenig anziehender englischer Name Patagonian toothfish (Patagonischer Zahnfisch) machten einige Schachzüge der Fischereiindustrie notwendig, damit er dem Konsumenten »mundete«. Man findet ihn jetzt auf Speisekarten unter dem 1984 erfundenen Namen »Chilean sea bass« (Chilenischer Zackenbarsch).
    © Reuter/Corbis
    Der Name ging 1984 in den allgemeinen Wortschatz ein. Vier Jahre später erschienen im Südatlantik die ersten russischen Fischerboote, die eigens dazu ausgerüstet waren, große Mengen von diesen Tieren zu fangen, deren lateinischer Name Dissostichus eleginoides lautet. Seitdem ist dieser Fisch so beliebt und wird daher von Restaurantbetreibern auf der ganzen Welt so heiß begehrt, dass Journalisten von ihm als dem »weißen Gold der südlichen Meere« sprechen. Bei den Hütern dieser Meere, die noch gut in Erinnerung haben, was bei den Grand Banks geschehen ist, hat diese Entwicklung Bestürzung und nicht geringe Sorge ausgelöst.
    Den Seehechten wird generell im Ozean um South Georgia nachgestellt sowie in den flachen Gewässern um die als Shag Rocks bekannten zackigen Felsen vulkanischen Ursprungs, die sich auf halber Strecke zwischen Südgeorgien und den Falklands unerwartet aus dem grauen Einerlei emporrecken. Die Fische werden in den seichteren Gewässern von Trawlern mit Schleppnetzen gefangen, in den tieferen Gewässern hat man mehr Erfolg, wenn man die sogenannten Langleinen einsetzt.
    Diese Fangmethode ist von brutaler Effizienz. Wie der Name impliziert, werden sehr lange – einige von ihnen erreichen eine Länge von acht Meilen –, mit Tausenden von Haken besetzte Metallschnüre von schnell laufenden Fischerbooten über das Heck ins Meer hinabgelassen. Jeder Haken ist mit einem Köder in Form einer Sardine, eines kleinen Polypen oder einer billigen, als namibische Bastardmakrele bekannten Delikatesse bestückt. Die ganze Leine sinkt auf den Meeresboden hinab, wo man sie über Nacht lässt. Wenn sie morgens wieder an Bord gezogen wird, hängen für gewöhnlich riesige Fische in einem Gesamtgewicht von vier bis fünf Tonnen an jeder Leine, die über eine Walze läuft, auf denen die Tiere von den Haken gelöst werden. Die besonders geschätzten Wangen der Seehechte werden automatisch abgetrennt, der Rest wird schockgefroren und in den Kühlräumen im Rumpf des Schiffs gelagert.
    Diese Art des Fischfangs bringt zwei Probleme mit sich. Das erste ist technischer Art und besonders tragisch. Bevor die mit Ködern bestückten Haken auf den Grund sinken, ziehen sie Seevögel an, und Meeresbiologen haben schon vor Langem zu ihrem Entsetzen festgestellt, dass Zehntausende von ihnen – darunter viele Sturmvögel und Königsalbatrosse – die Köder schlucken, so dass sie an den Haken festhängen. Sie werden dann von den mit Gewichten beschwerten Leinen mit in Tiefe gezogen und ertrinken. Mittlerweile fordert man die Fischer auf, bunte im Wind flatternde Bänder und andere Gegenstände, die die Vögel verscheuchen sollen, an den Leinen zu befestigen, damit vor allem die seltenen, prachtvollen Albatrosse geschützt werden. Es ist ein kleiner Lichtblick, dass dies wirklich zu funktionieren scheint, vorausgesetzt, dass die Fischer das tun, worum man sie bittet.
    Doch das führt uns zu dem zweiten und gravierenderen Problem: Viele Fischer scheren sich nicht um solche Bitten oder Aufforderungen, weil nämlich die Jagd auf den Schwarzen Seehecht in der Nähe von Südgeorgien sowieso weitgehend illegal ist oder es zumindest bis vor Kurzem war. Die Seevögel kommen weiterhin durch die Hände dieser Gesetzlosen – Freibeuter im wahrsten Sinn des Wortes – ums Leben, und die Fischgründe sind in Gefahr, entvölkert zu werden, so wie es dreißig Jahre zuvor mit denen bei Neufundland geschah.
    Aus diesem Grund sind in jüngerer Zeit schwer bewaffnete Schiffe in diese Region entsandt worden; sie sollen die

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