Der Atlantik - Biographie eines Ozeans
genaue Höhe von Erhebungen auf dem Mond und dem Mars an Punkten, die nur wenige Meter auseinanderliegen, kennt, weiß er nur an vereinzelten Stellen – die manchmal bis zu acht Kilometer voneinander entfernt sein können – über die Höhe des Meeresbodens Bescheid.
Die Admiräle beklagen sich darüber, dass die gegenwärtigen Erdbewohner trotz aller hydrografischen Vermessungen, die im Lauf der Jahre vorgenommen worden sind, trotz aller Sondierungen, der Erfassung von Riffen und Verzeichnung von Landzungen viel zu wenig über ihre Meere wissen, obwohl diese sieben Zehntel der Oberfläche ihres Planeten bedecken. Das ist aber keinesfalls auf Gleichgültigkeit zurückzuführen. Vor allem Europäer haben im Lauf der letzten fünfhundert Jahre versucht, ihre Ozeane in allen Einzelheiten zu »ergründen«. Seit Kolumbus und Vespucci von ihren Fahrten zurückgekehrt waren und klar wurde, dass man von Europa aus über den Atlantik und die anderen Meere hinweg Handel treiben und auch Kriege auf See führen könnte, haben einzelne Länder – Großbritannien, Portugal, Spanien, später auch Amerika und Kanada, Brasilien und Südafrika – große Anstrengungen unternommen, diese Gewässer zu vermessen und zu kartografieren, die Tiefen und die Untiefen der Ozeane auszuloten, den Verlauf ihrer Ströme und Strömungen zu verzeichnen, ihre Strudel und Wirbel sowie die genauen Konturen ihrer Küsten, ihre Inseln und Riffe und alle anderen ihnen ganz eigenen Merkmale zu erkunden und festzuhalten. Der Welt alles Wesentliche über die Ozeane – und hauptsächlich über den Atlantik – beizubringen, das war eine Bemühung, die schon in 15. Jahrhundert begann und seitdem nie zum Erliegen gekommen ist.
Ein ganzes Weltmeer zu erforschen setzte voraus, dass man auch zu seinen entlegensten Regionen Zugang hatte, und das war etwas, das im Fall des Atlantiks durch eine Reihe von Hindernissen topografischer oder anderer Art vereitelt oder zumindest erschwert wurde. Das größte Problem in dieser Beziehung stellte die Existenz einer äußerst unzugänglichen Landspitze aus Sandstein dar, die als Cape Bojador bekannt war, ein Kap in Westafrika, das die Araber seit Jahrhunderten gefürchtet hatten und das bei ihnen als Abu khater (Vater der Gefahr) bekannt war.
2. Straßensperre im Wasser
D ie von der befestigten alten marokkanischen Küstenstadt Essaouira nach Süden in die Sahara führende Straße ist auch die am besten ausgebaute Strecke nach Westafrika – sie setzt sich, immer am Atlantik entlang, nach Mauretanien fort, von dort in den Senegal, nach Gambia, Guinea-Bissau. Bei sorgfältiger Planung, mit Glück, einem Wagen mit stabiler Radaufhängung und genügend Zeit könnte ein entschlossener Fahrer es auf ihr bis Kapstadt schaffen und dort unter den Jakarandabäumen beim Mount Nelson Hotel den Tee einnehmen.
Auf dem größten Teil der ersten Etappe ist die Fahrt von einer gewissen Eintönigkeit. Nach dem grandiosen Anblick, den das in den nach ihm benannten Ozean eintauchende Atlasgebirge liefert, und nachdem man die winzige spanische Enklave Ifni hinter sich gelassen und die Reihe der großen von Franzosen erbauten Leuchttürme sowie die Surfer, die unbeschwert auf den vom Meer herandonnernden Brechern an den Strand reiten, gesehen hat, fährt man ein paar Meilen Richtung Landesinnere, und die Gegend um einen herum wird flach. Die Haine von Arganbäumen und die Sträucher, an denen Ziegen knabbern, werden spärlicher, bis man durch eine steinübersäte Ebene rollt und schließlich zu einer tristen kleinen, an einer Kreuzung gelegenen Stadt namens Goˇulmime gelangt, wo die richtige Wüste beginnt.
Jenseits der staubigen und chaotischen Medina der Stadt – in der man noch auf in blaue Burnusse gekleidete Tuareg und von der Wüstendurchquerung erschöpfte Kameltreiber, die Waren für ihren Suk herangeschafft haben, trifft – windet sich die zweispurige Überlandstraße, die sich wie ein Rinnsal von schwarzem Öl gegen den Sand der Hammada abzeichnet, zum Horizont hin. Sie ist zumeist leer; nur hin und wieder sieht man einen Tanklaster vorbeirasen oder eines jener klapprigen Mercedes-Taxis, die immer viel zu schnell unterwegs sind. Die See erstreckt sich ohne erkennbares Ende schäumend nach Westen, und ganz weit im Osten schimmern die hohen Dünenmeere der Sahara. Der Ostwind pfeift unablässig und bläst einem Grus in die Haare und zwischen die Zähne. Bis in die jüngste Zeit hinein war dies der Zugang zu spanischem
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