Der Attentaeter von Brooklyn
und er fragte sich, ob sich so ein letzter Atemzug anfühlte.
Ala starrte seinen Vater an, als wäre er und nicht Nisar von den Toten zurückgekehrt. »Ich verstehe nicht«, sagte er.
»Schlaf dich erst mal aus. Wir reden morgen früh darüber.«
Der Junge schlurfte aus dem Schlafzimmer und ließ sich auf die Couch fallen.
Nachdem Omar Jussuf das Licht ausgeknipst hatte, hörte er von nebenan das zischende Wimmern seines Sohnes, der sich durch einen Albtraum zitterte.
Kapitel
23
In der fahlen Morgendämmerung ließ Ala seine Hand vom Sofa baumeln, und eine Speichelspur glitzerte auf seinem Kinn. Omar Jussuf legte dem Jungen die Hand auf die Brust und ging in die Küche. Die Kaffeekanne fand sich zwischen einem Haufen schmutzigen Geschirrs und Pfannen. Er hantierte damit herum, aber das Geschirr rutschte klappernd zusammen, als er die Kanne aus der Spüle nahm.
Ala richtete sich auf dem Sofa auf und rieb sich durchs Gesicht. »Lass mich das machen, Papa«, murmelte er. Er nahm seinem Vater die Kaffeekanne aus der Hand und spülte sie ab.
Omar Jussuf lehnte an der Fensterbank. Er sah zu, wie Regen den Schnee auf dem Gehweg zum Schmelzen brachte, und dachte an den Mann, der gestern Nacht von den Toten auferstanden war.
Ala löffelte Kaffeepulver in die zerbeulte Kanne, fügte Wasser hinzu und stellte die Kanne auf den Herd. Der Geruch verbrennenden Gases war gemütlich und anheimelnd.
»Ich habe von abgetrennten Köpfen geträumt«, sagte Ala. »Nicht nur von denen von Nisar und Raschid. Allen waren die Köpfe abgeschnitten worden.«
Die Kanne klickte leicht gegen die Herdplatte, als Ala den dickflüssigen Kaffee umrührte. »Die Bedeutung des abgeschnittenen Kopfes, der verschleierte Mann – das ist so seltsam und mystisch«, sagte er mit rauer, trockener Stimme. Er lächelte seinen Vater derart verkrampft an, dass Omar Jussuf sich Sorgen um seinen Geisteszustand machte. »Irgendwie ist es sehr angemessen, wenn der Tod auf solche Weise kommt.«
»Wie meinst du das?«
»Der Tod ist etwas Spirituelles. Aber ein Mord ist normalerweise etwas Alltägliches. Es müsste doch wohl etwas Mystischeres als eine Kugel sein, um einen Menschen zu töten. Wie der heilige Koran sagt, sind wir durch ein Wunder erschaffen worden, geformt nach dem Bild Allahs aus dem Blutstropfen, den er benutzte, um den Menschen zu machen. Dann kommt das Ende – ein simples kleines Stück Blei fliegt rot glühend durch die Luft, durchschlägt den Körper, zerfetzt Haut und Knochen, alles in einer Sekunde.«
»Was könnte mystischer sein als ein Stück Metall, das fliegen kann?« Omar Jussuf stieß ein rostiges Lachen aus. »Kein Wunder, dass religiöse Extremisten Kugeln so sehr lieben. Sie sind Allahs größtes Wunder.«
Ala nahm eine kleine Tasse aus dem Schrank, wischte sie mit dem Finger aus und schenkte Omar Jussuf Kaffee ein. Dem Kaffee, der noch in der Kanne war, fügte er eine große Portion Zucker hinzu und kochte ihn noch etwas länger.
Omar Jussuf ließ seine Tasse in der Küche stehen und ging ins Schlafzimmer. Er nahm den Mantel vom Bett, zog das Päckchen, das Marjam ihm gegeben hatte, aus der Tasche und brachte es seinem Sohn. »Ich hab das mit mir herumgeschleppt. Wird Zeit, dass du es bekommst«, sagte er. »Deine Mutter verwöhnt dich.«
Ala hielt das Geschenk, als wäre es die Hand seiner Mutter. Tränen traten ihm in die Augen, und seine Lippen zitterten.
»Mach es auf, schnell«, sagte Omar Jussuf.
Im Päckchen fand Ala den Mont-Blanc -Kugelschreiber in einer gepolsterten, schwarzen Schachtel. »Er ist wunderschön«, sagte er. »Es ist der gleiche, den du hast, Papa.«
»Jetzt kannst du deiner Mutter richtige Briefe schreiben, statt ihr nur E-Mails via Nadia zu schicken.«
Schwere Schritte kamen die Treppe herauf. Ala war noch mit dem Kugelschreiber beschäftigt, aber Omar Jussuf ging zur Tür, als geklingelt wurde. In der Diele bemerkte er einen braunen Fleck auf dem Streichholzmodell des Felsendoms. Er erinnerte sich daran, dass es Blut von der Leiche im Schlafzimmer war und er es beim Versuch, das Modell zu reparieren, darauf verschmiert hatte. Ihm zitterte die Hand, als er die Tür öffnete. Draußen stand Sergeant Abajat und schüttelte sich den Regen vom Parka.
»Seien Sie gegrüßt, Ustas . Morgen der Freude.«
»Morgen des Lichts, o Hamsa«, sagte Omar Jussuf düster. Der Polizist brachte förmlich den Mord ins Zimmer zurück, und Omar Jussuf wusste, dass Alas tröstliche Gedanken an seine Mutter
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