Der Aufgang Des Abendlandes
Gegensatz von Nicht-Substanziellem oder posterioren Substanzen voraussetzt, in der Unendlichkeit ist aber alles gleich
substanziell und gleich spirituell, unverändert und unvermindert, und wo keinen Anfang gibt es auch keine
Anfangssubstanz, daher dann auch keinen letzten zureichenden Grund, und da es in der unendlichen Wechselbeziehung kein an
»sich« gibt, so gibt es kein Ding-an-sich als Gegensatz zu relativen Dingen, sondern selbst das
beschränkteste Ich ist für sich selber ein absolutes. Wem unsere Syllogismen einleuchten, behalte sie im
Gedächtnis, sie sind nicht ohne Wert für die Psychelehre. Doch solche Spitzfindigkeiten sind nur Kampf um des
Kaisers Bart, da niemand je wirklich bezweifelt hat, für was man allerlei nicht deckende Namen sucht, nämlich die
Unendlichkeit. Schiller will eben nur darauf hinaus, daß unser menschliches Denken sich an bestimmte pragmatische
Grenzen zu halten habe. Es sei »purposive«, d. h. vorsätzlich zwecksetzend und beeinflusse so auch jede
Metapysik. Alle Handlungen beziehen sich auf praktische Zwecke. Das (für uns) »Gute« gehe dem Begriff des
»Wahren« voran und das »Wirkliche« werde gesucht mit der Absicht, das Wahre zu wissen. Das (für
uns) »Gute« sei erste und oberste Kontrolle unserer Erfahrung, Metaphysik stamme nur aus Ethik, daher sei
Wirklichkeit für uns »nicht was sie ist, was immer wir selber tun mögen«. Deutlicher ausgedrückt:
nicht passiv entgegenkommend, sondern beeinflußt durch unsere eigenen Vorsätze. Hier sind wir also mit andern
Formeln wieder bei der »Welt als Wille und Vorstellung« des Ich angelangt und es wird noch schöner:
Determinismus sei zwar ein absolutes (sic) wissenschaftliches Postulat, doch »wir mögen doch wohl die Wirklichkeit
eines gewissen Maßes von Unterdeterminiertheit anerkennen«, die Welt sei teilweise durch unser Handeln
determiniert. Zu solchem Gallimathias verführt unklare Halbheit. Ein absolutes Postulat »der Wissenschaft«
läßt also große Abweichungen zu? Dann deckt es sich eben nicht mit der Wirklichkeit. Die eherne
Notwendigkeit fragt indessen nicht nach Hypothesen menschlicher Hirne, sondern hat in ihrer Kausaldeterminante keinen Platz
für ein »gewisses Maß« irdischer Freiheit. Den Weltlauf bestimmt nie unser Handeln, sondern letzteres
selber ist nur ein determinierter Kausalakt unzählbarer Notwendigkeiten. Wo man die Unfreiheit des Ichwillens
»teilweise« leugnet (Ich und Unfreiheit sind synonym), also den »absoluten« Unsinn wieder
einschmuggelt, muß etwas radikal Falsches vorliegen! Der Fall liegt aber einfach so: selbst ein Flachkopf ahnt,
daß es doch irgendwie und irgendwo eine relative Freiheit geben müsse. Daß dies aber nur jenseits der
Ichmaterie möglich sei, daß daher nur das im subliminalen Selbst versteckte transzendentale Ego wohl oder
übel diesen leeren Thron besteigen müsse, darf er nicht zugeben und so hilft er sich mit »teilweiser«
Absurdität. Heute gibt's unzählige solcher Agnostiker. Sie erkennen heimlich die unwirkliche Relativität der
Mechanistik, scheuen sich aber vor dem Umkehrsprung ins Wirkliche, das sie beargwöhnen, als sei die wahre Logik,
nämlich Meta-Physik, ein verbotener Gepäckraum von Phantasien. »Der Pragmatist wird seine Transaktionen mit
der Natur und den Mächten, die er sich vorstellt, persönlich interpretieren«, unsere Metaphysik muß
daher »quasi-ethisch« sein? Da sind wir wieder bei Kants Irrgang, der Mensch selber schaffe (erfinde) Gott und
moralische Weltordnung. Aber nicht »Good«, sondern »God« war nachweislich der erste Begriff des
Urmenschen, d. h. der Schauer der Unendlichkeit. Er hatte so wenig Trieb zum Guten wie das Kind, in dem apriorisch nur eins
erwacht: das Aufschauen zur überwachenden und säugenden Mutter.
Doch ganz richtig folgert Schiller: die Welt sei für uns wirklich nur, solange wir in ihr sind, sie sei relativ wie
das Wahre und Gute, d. h. wahr und gut für uns. »Nutzlose Kenntnis« sei uns versagt, metaphysische
Hypothesen stellten wir nur auf, weil sie nützlich wären, wenn sie wahr wären, und wahr, soweit sie
nützlich sind. Wahrheit sei nur eine Form der Wertschätzung je nach dem Vorsatz des Wahrheitsuchers. Die
Gesellschaft wählt davon aus, was ihr nützlich ist, so entsteht angeblich objektive Wahrheit für alle. Das
alles sind alte Binsenwahrheiten, soweit es sich auf Subjektivität alles Denkens bezieht. Gerade deshalb ist unwahr,
Gesellschaftsmaximen
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