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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Buddha erkennt in der Materie einen bösen Geist, Maro den Versucher, der uns verführt, dem Schein zu
trauen. Alles Ethische behandelt er sozusagen physikalisch. In prachtvoll durchgeführtem Gleichnis wird die Lust, wo ihr
Same unbeachtet bleibt, zur Schlingpflanze, die den Baum zerstört. Die körperwollüstige Brunst asketischer
Schmerzekstase führt gleichfalls auf falsche Fährte abwärts. Das hier nichtbegründete Warum ist klar: da
Körperliches wesenlos, so irrt, wer es kasteit, so töricht wie wer es pflegt. Befreiung kann nur innerhalb der
Psyche stattfinden, entscheidendes Übel ist Unwissenheit. Hier läßt freilich Buddha ungeklärt, warum nur
so wenige Wissen erwerben, wieder halte man sich gewärtig, daß indischem Denken immer Karma zugrunde liegt,
unfreier Wille als Karmafolge sich auslebt und dies völliger Ungleichheit der Iche entspringt. Der Böse ist
böse »mit Lust und Genügen«, der Halbböse ringt mit seiner Sündhaftigkeit »in Schmerzen
und Qualen«, welch gegenwärtige Unlust ihm künftiges Wohlsein beschert. Dagegen hält sich der Gute mit
Lust und Genügen vom Bösen zurück, dessen Verwerfung ihm nicht Anstrengung kostet, sondern Lust gewährt.
Solche Lebensführung, die gegenwärtiges und künftiges Wohl bringt, verscheucht »wie die Sonne die
nebelhaften Redereien der Geistlichen«, auch der Materiepfaffen. Maro der Böse führt Buddha in den Kreis der
Brahmagötter und predigt ihm, nur Natur sei das Immerwährende, Naturfeinde versinken nach Verbrauch der
Arbeitskraft, während Naturforscher und Erdanbeter sich selber evolutionieren! Der Große Brahma ist allein
Erschaffer, Erhalter, Übermächtiger. Doch Buddha läßt sich nicht beirren, sondern lacht Maro aus, nach
dessen Willkür sich alle Naturgötter bewegen (d.h. der Materialismus verfällt dem Naturschein). Der
Pan-Theismus Brahma hält ihm vor, man könne nichts als Stütz- und Schwerpunkt nehmen als die Materie. Ironisch
erwidert der »Erleuchtete«, wohl kenne er solche Herrlichkeit, »wo tausendfach der Weltenraum in deinen
Willen eingewiegt«, doch er wisse auch, wie unbefriedigend des Alls Allheit ist. Ja, spottet Brahma, weil in Buddha
hohl und leer ward, was Leuchtkraft des Bewußtseins war. Doch der belehrt ihn, daß es drei höhere
Daseinsarten gebe, dem Brahma fremd: Die Leuchtende, Strahlende, Gewaltige. Aus der Leuchtenden sei Brahm erschienen (d.h.
Materie stammt aus Weltpsyche), doch habe wegen zu langen Verweilens im Schein die Erinnerung des Ursprungs verloren, das
wahrhaft strahlende Gewaltige kennt er nicht. »So werde ich Dir zur Strafe entschwinden« droht Brahm, doch vermag
es nicht, das Wesen der Natur bleibt dem Buddha sichtbar, dagegen entschwindet er selber mit dem Magiespruch: »Kein
Leben lieb ich irgendwo.« Da jammern die Naturgötter bestürzt: »Das Leben hat er mit der Wurzel
ausgezogen«, womit natürlich nur das Sinnenleben gemeint. Dies ist die tiefsinnige Parabel »Heimsuchung des
Brahma«: voller Triumph des Unsichtbaren über das Sichtbare. –
    Tatsächlich gewährt die Wiedergeburt Schulzes Eigenwillen, er lebt gesetzmäßig fort, ob als
Proletarier oder als Prinz Schulze, bis unendliche leidvolle Erfahrung ihn vom Schulzeismus freimacht. Nun aber
übernimmt Buddha für das Interregnum zwischen den Schlachten der Wiedergeburt den Himmel und die Hölle
(verstärkt fressender Lebensgier) aus der Bagghavat Gita. Denn es wäre nicht abzusehen, wo die Elemente von
Haß und Gier oder Begeisterung und Edelsinn sonst ihren Aufenthalt finden sollten nach Aufhebung irdischer
Materiewohnung. Ohne solchen Kompromiß zwischen Ichvertilgung und selbständiger Psycheexistenz kommt also Buddha
nicht aus, er darf auch eine Geisterwelt nicht ausschließen mit anderer physikalischer Basis auf anderer Ebene. Doch
ist dies unwesentlich. Reißt man aus dem lockern Bau des Materiekults nur einen Stein, so droht Einsturz; beseitigt man
dagegen aus der Psychelehre jede konkrete Jenseits-Vorstellung, so bleibt die Gewißheit des Unsichtbaren, jene
»heilige Wissenschaft, überweltlich mit gewöhnlichen Begriffen nicht vereinbar«. Dies wahrhaft
naturwissenschaftliche Denken (zyklische Allbewegung des Rades) hat mit Experimentiererei am untauglichen Objekt des
Sichtbaren so wenig gemein, wie mit den verkappt materialistischen Semitenreligionen. Von »christlicher«
Leidenswollust keine Spur, das Leid als Übel soll vielmehr abgewischt werden wie ein Schmutzfleck. Es

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