Der Aufgang Des Abendlandes
habe nur
sexual religiöses Bedürfnis: jede buddhistische Philosophin fühlte sich als Überwinderin der Natur. Der
organisierte Geschlechtsneid – wie Hauer boshaft die moderne Frauenbewegung nennt, verschafft statt sexualem Wahlrecht
ein politisches, Buddha und nach ihm Jesus schenken dem Weib etwas Besseres, das Seelenrecht. Daß die christliche
»Sünde« erst die moderne Erotik im Preise steigen ließ, stimmt nicht, auch die Antike kannte
Zwangskeuschheit der Pythia und Vestalin, während die indische Ars Amandi zwar den Begriff Sünde ignoriert, doch
bei solcher Natürlichkeit nicht modernste Raffiniertheit verleugnet. Während aber christliche Tugend aus
bloßem Moraldiktat Unnatur erzwingen will, lassen Buddhas Vernunftgründe Naturverleugnung als natürlich
erscheinen. In seinem Reiche kastriert man nicht den Massenverstand, früher durch Kirche heute durch Presse, dies
Panoptikum demokratischer Schwarzkunst, Majoritätsabstimmung der Obskuranten, parasitische Made der Massenmode.
Hocharistokratisch züchtet er Edelmenschen, welche die Torheitswelt auf den Kopf stellen, nämlich den Kopf des
Erlösten. Aber schlägt er nicht auch Egozentrische Individualitäten über einen Leisten durch
Alleinseligmachenden Drang sich ins All auszuhauchen?
2
Träumen ist Erholung von bemühender Zweckhörigkeit des wachen Bewußtseins, das umgekehrt im Bann der
Sinneseindrücke träumt, weshalb Buddha sich den »Erwachten« nennt. Die Blitzschnelligkeit, mit der jede
Berührung des Seh- oder Gehörnervs im Schlafe sich zu Erdichtungen von Handlungen umbildet, zeigt gerade erst im
Traum die Vorstellungskraft ungebunden. Je visionärer sich der Künstler beim Schaffen verhält, desto klarer
schaut er, weshalb sich Schaukraft bei buddhistischer Versenkung mit physikalischer Sicherheit einstellt und die »vier
Schauungen« ins Unsichtbare projiziert. Den bösen Träumen des Ichs, das sich lauter Zufallsgewalten
ausgesetzt sieht und den Alltäglichkeitsgefahren durch Räusche zu entfliehen sucht, stellt Buddha das psychische
Erwachen entgegen, das sich nicht dem Naturschein preisgibt. Schon die Veda verkündet: »In der Mitte der Sonne ist
das Licht, in der Mitte des Lichts die Wahrheit, in der Mitte der Wahrheit das unvergängliche Wesen«. Vom Monismus
des Sichtbaren und Unsichtbaren weiß schon Vischnu Purana: »Die Welt ist nur Vischnus Erscheinung, der mit allem
identisch. Wie ein und dieselbe Luft, wenn sie durch die Flöte hindurchgeht, sich nach Noten der Tonleiter
unterscheidet, so ist der große Geist seiner Natur nach einzig, obwohl seine Form vielfältig.« Doch der
Brahmanismus behauptete dann schon recht theologisch: Wenn ein Böser sich nur zu Krischna bekenne, werde er nicht
bestraft, sondern später tugendhaft gemacht werden. Das sieht christlicher Glaubenserlösung verzweifelt
ähnlich, gemeint ist freilich Transzendentalevolution durch Wiedergeburten, doch das verwickelt in Optimismen wie Platos
wundersamen Satz: »Die Seele, die nie Wahrheit erkannte, kann nie Menschengestalt annehmen.« In welcher
Präexistenz soll von Thamas (Dummheit) und Rayas (Begierde) Erfüllter (Bagghavat) die Wahrheit erkannt haben? Die
Wahrheit ins Unbewußte jedes Durchschnittsmenschen zu verlegen fällt so bedenklich aus, daß Myers kleinlaut
gesteht, sein Subliminales sei unendlich verschieden entwickelt. Natürlich, weil wir ja früher betonten, daß
Ober- und Unterbewußtsein ineinander übergehen, letzteres also dem Ich entspricht, mit dem es zusammenhängt.
Anthroposophische Anmaßung gab Swedenborg den unglücklichen Satz ein: »Gott ist der unendlich große
Mensch.« Dann ist wohl Gott auch ein unendlich großer Elefant (Symbol Buddhas)! Kirchenchristliche
Verschrobenheit konnte indessen des schwedischen Sehers Blick wohl trüben, ihn aber nicht von jener Sehbahn ablenken,
auf welche jedes wahre Denken optisch eingestellt, und so stoßen wir bei Swedenborg auf manche Enthüllung, die
Buddha uns schuldig blieb. Sein Okkultismus tritt aus dem rein Psychologischen ins Kosmische über.
Es sei ein beständiges Gesetz organischer Körper, daß große zusammengesetzte sichtbare Formen aus
kleinen einfachen und schließlich unsichtbaren bestehen. Und zwar durch letztere, die sich vollkommener und universaler
betätigen. Gerade die allerkleinsten unsichtbaren bieten die beste Vorstellung des Alls als dessen Vertreter. Die
Einheiten jedes Organs seien viele kleine Wesensgleiche, so
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