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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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erheitert, wenn
Edel-Materialisten verzweifelt dem Buddhismus als einer Pessimistenmoral huldigen. Ein sonderbarer Weltschmerz, der vor allem
mit Gotamo Ruhe und Heiterkeit fordert! Ebenso sollten aber Theosophen sich hüten, einen fingierten Buddha
unnützlich im Munde zu führen, wobei sie mit vedantistischer »Seele« »freiem Willen«
»Gott« derart um sich werfen, wie es dem Buddha ein Greuel wäre. Solchen Pseudobuddhisten ziehen wir noch
das ehrliche Idiotentum über »müde« Lebensabtötung vor, während der »Erhabene«
gerade matte Müde verdammt und seelische Heldentaten verlangt.
    Von eigenen Nachfolgern mißverstanden – denn nichts liegt ihm ferner, wie wir sahen, als wirklicher Atheismus
und Unsterblichkeitsleugnung – genoß seine Lehre doch das unschätzbare Glück, daß man sie im
Wesenskern seiner Reden vollständig unentstellt bewahrte und sie nicht durch Zusätze um ihre Reinheit brachte, wie
die Nachfolge Christi wirtschaftete. Aber so sehr wir der intellektuellen Sauberkeit indischen Denkens das Wort reden, so
reinlich und vornehm es dem abendländischen Anthropomorphentum gegenübersteht, so warnen wir davor, es als
Zukunftsreligion der ganzen Menschheit ins Auge zu fassen. Praktisch kann es nach Europa nicht übergeführt und
eingebürgert werden, weil man Konsequenzen der »Überwindung« wohl in indischer Waldeinsamkeit ziehen
kann, nicht aber bei der Lebenshaltung der weißen Rasse, bei welcher Willensüberspannung angeboren und vererbt.
Ein Nietzschekranker Biologe klagt, die prächtigen, obwohl nicht »blonden«, Bestien der Mongolei seien zu
sanften milden Hirten geworden, das habe mit seinem Singen der böse Buddhismus getan. Doch selbst dieser ethische Gehalt
genügt dem blamierten Europäer so wenig, daß der Indologe v.Schröder sich als Ergebnis seiner Studien zu
Kirchendogmen bekehrte! Arya heißt indisch das Edle und Vornehme; ob die indischen Arier ihren europäischen
Verwandten dies Ariertum zubilligen, scheint leider fraglich. Indessen können wir nicht umhin, aus tieferen Gründen
abschließende Alleingültigkeit Buddhas nicht anzuerkennen. So tief er seelisch schürfte, scheint er sich
Erlösung zu einfach vorgestellt und einzig morgenländischem Wesen angepaßt zu haben.
    Möglichenfalls beschleunigte das christlich-demokratische Ideal allgemeiner Gotteskindschaft der Vielzuvielen den
Zersetzungsprozeß der modernen Gesellschaft. Desgleichen verwertete die Plutokratie die merkantil verknotete
Wissenschaft als Sprengstoff gegen den Feudalstaat, was aber einen so breiten Granattrichter aushöhlte, daß alle
Zerfallsprodukte aus dem Abgrund aufstiegen. Buddha dagegen stand in fester Kastengliederung, und als Königssohn
schätzt er »Söhne aus edlem Hause« besonders als Entsager, während Zweifler als
»Fischersöhne« und »Geierjäger« und ein vorlauter junger Sophist als
»Kaufmannssohn« bezeichnet werden. Brahminen und Krieger hält er anscheinend für heilsfähiger, er
bleibt Aristokrat trotz demokratischer Propaganda. Da er also nicht unterläßt, Ungleichheit der Menschen zu
bejahen, warum hält er dann seine acht Heilspfade für alleinverbindlich, da doch Gleiches sich nicht für alle
schickt? Der mißverstandene Marquis de Sade sagt: »Eine durchaus tugendhafte Welt könnte nie bestehen ...
nur durch Böses gelangt die Natur dazu Gutes zu tun. Die Gegenstände haben nur den Wert, den ihnen unsere
Einbildung verleiht, als Teilchen des Unendlichen kehren wir in den Naturschoß zurück, um ihm in anderer Form
wieder zu entsteigen. Dies geschieht ohne Beziehung auf Tugend oder Laster, denn alle handeln wie die Natur es will.«
Solcher Anarchismus der Halbwahrheit vertritt zwar richtig die Notwendigkeit alles Geschehens, macht aber halt vor der
Forderung, daß Gesetzmäßigkeit sowohl Ursachen als Zwecke hat. Buddha dagegen hat späteren
Bickshu-Kathechismus, der weder Lohn noch Strafe kennt, keineswegs selber eingeführt, macht auch die christliche
Allvergebung nicht mit. Für ihn ist Böses als Folge des Bösen ein physikalischer Vorgang wie Belohnung des
Guten durch Selbstbefriedigung.
    Der buddhistische Heilige verabscheut den Geschlechtsakt nicht aus moralischem, sondern aus philosophischem Grund,
betrachtet Keuschheit als Erhöhung sogar der physischen Kraft, Jungfräulichkeit als Voraussetzung hoher Intuition.
Buddhistische Nonnen widerlegen die Phrase, das Weib stehe der Natur näher wie der Mann, oder die andere, es

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