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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Seelenbegriff des Ego. Und zwar war dies
ein polemischer Protest gegen Übertreibung der Upanischaden, der uralten Rigveda-Lehre vom Gottesodem (Attman), der sich
im Menschenodem (Prana) fortsetzt: »Im Anfang war die Welt nur Seele... wenn ein Mensch sein Selbst vernimmt
›Ich bin Er‹, so ist er selbst Schöpfer, sein ist die Welt und er ist die Welt. Wenn du dies Selbst als
Gott selber erkennst, als Herr der Welten, dann fürchtest du dich nicht mehr«. Das klingt noch siegesgewisser als
bei Fichte, enthält aber nur die gleiche Halbwahrheit. Es ist wahr im letzten höchsten Transzendentalsinne, aber
nicht wahr, sobald man damit nur den geringsten Ichbegriff verbindet (die Welt als meine Vorstellung). Kein Selbst kann sich
mit Gott amalgamieren, der selber kein Selbst ist. Wir möchten davor warnen, den nicht glücklichen Ausdruck
»transzendentales Ego«, der nur fürs Zwischenreich der Wiedergeburten gut, unpassend anzuwenden, denn da Ich
nur ein flüchtiges Phänomen, wie kann es im Transzendentalen bestehen! Sogar Dämonen oder Götter, die der
Buddhismus nicht leugnet und die als personifizierte Naturgewalten in der Geisterwelt ihren kosmischen Einfluß
üben, darf man nicht als Ich im gewöhnlichen Sinne auffassen. Einer Leibnizschen Monadentheorie über
Zwischenbeziehung der Ichseelen untereinander begegnen wir im indischen Denken überhaupt nicht. Jedenfalls
müßte die materialistische Wissenschaft den Buddhismus als die einzige Religion anerkennen, die sich mit modernen
Doktrinen verträgt. Aber man würde sehr irren, wenn man die Buddhaerkenntnis als Mechanistik begrüßen
würde, weil sie so analytisch alle Sinnesphänomene zergliedert und die phychischen Prozesse fast mit Methoden
moderner Physio-Psychologie erklärt. Denn selbst der Sinneseindruck beginnt für buddhistische Wissenschaft als
»Vibrieren im Unterbewußtsein« und das Unbewußte als Gegensatz zum Ich bleibt ihr immer
gegenwärtig. Gegen den fleischlichen Materialismus der Sinnesknechtschaft ruft Buddha nicht Askese herbei, wie die
Europalegende wähnt, vielmehr verurteilt er diese offenbar uralte Neigung zur Sinnestötung aufs entschiedenste.
Sondern er überträgt die ethische und intellektuelle Betrachtung der objektiven Welt durch ruhiges Studium, als
Mittel zur gleichgültigen Überwindung des Sinnlichen, auch auf die subjektive Innenwelt, die wir gleichfalls nur
zum Betrachtungsobjekt machen sollen. Die vierfache Plattform, auf der Erkenntnis über der Welt steht, heißt
Arische Innenbeschauung, Arische Wahrheit (Nirwana), Arische Verwerfung aller Bedingungen zur Wiedergeburt, Arischer Friede
von allen Leidenschaften und Illusionen. Wotansreligion unsrer Völkischen als »arisch« ist
Indianergeschichte für große Kinder, die Germanen pflegten nur überkommene atlantische Ursage, ihr Baldur war
Merodach und Tammuz der Sumerer, erst die Inder haben wie das Wort auch den Begriff arisch als geistig rassisch. Uns scheint
bemerkenswert, daß »Arisch« so viel bedeutet wie »zum Heil erwählt«. Wenn also die
Indogermanen sich Arier nannten, so müssen sie von Anfang an das »Heil« transzendentalen Wissens gesucht und
gefunden haben. Da aber ihre Anfänge unbekannt und uralte Kulturen bei ihnen nicht nachzuweisen sind, so glauben wir,
daß auch die Inder bereits aus dem vorhandenen Born einer Urweisheit tranken, die sich vielleicht in der tibetanischen
Geheimlehre aufbewahrt und über die Entstehung der Karma- und Gotterkenntnis vielleicht ein unheimlich blendendes Licht
verbreiten würde.
    Laut buddhistischer Analyse zerfällt Person in fünf Gruppen: Körper, Empfindung, Wahrnehmung, fünfzig
Begleiterscheinungen (besonders Wille) und erst zuletzt Bewußtsein. Schopenhauers Primärwille, dessen Unkenntnis
sich so irrig auf Buddha beruft, meldet sich also hier nur als Begleiterscheinung auf Anreiz von Gefühl und Wahrnehmung.
Diese Nomenklatur ist zwar klar durchdacht, um das Ich zu eliminieren, muß aber verworfen werden, sobald wir die
gleichmäßige Einheit des Lebensphänomens erkennen. Denn die fünf Kategorien sind so eng verschmolzen,
daß es kein Vorher und Nachher geben kann, keine Kausalevolution vom Körper bis Bewußtsein. Daß jedes
Ding keine statische Quantität, sondern ein stetes Begebnis sei, Fortsetzung ewigen Wechsels ohne wahre Identität,
wird durch Fließen des Wassers versinnbildlicht, wie die Unterbrechung des Bewußtseins andererseits durch Schlaf
und Träume. Das

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