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Der aufrechte Soldat

Der aufrechte Soldat

Titel: Der aufrechte Soldat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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unseren wertvollen Vorräten geschnappt.
    Ich warf Carter mein Gewehr zu und jagte los. Der räuberische Affe flüchtete über das Dach des Zuges, wobei er mit je einem Brotlaib unter den Armen nicht sonderlich schnell vorwärtskam. Ich sprang in die offene Tür, stellte einen Fuß auf den Fenstersims und schwang mich aufs Dach.
    Mehrere Affen hasteten daher. Sie erstarrten und sahen mich mißbilligend an. Vielleicht hatten sie dort oben, wo sie lebten, ihre eigene schlimme Gesellschaft, ein Spiegelbild derjenigen, die unten existierte. Gleichzeitig rannten wir los.
    Es war anstrengend, über die Waggons zu poltern, von einem zum anderen zu springen, angefeuert von den Schreien von unten. Einige Makaken sprangen vom Zug hinunter und jagten in eleganten Sprüngen zu den in der Nähe stehenden Schuppen hinüber. Mein Freund rannte weiter in Richtung Lokomotive. Er verausgabte sich nicht gerade und sah sogar gelegentlich über die Schulter, um mich anzufeuern. Er ließ einen der Brotlaibe fallen, würde gleich vom Zug springen und war dann nicht mehr zu fangen.
    Brüllend machte ich einen großen Satz vorwärts. Die Stahlnägel meiner Stiefel ließen mich ausrutschen. Ich stolperte. Der Makake betrachtete mich erstaunt, während er, mit dem Brotlaib unterm Arm, über eine Steinmauer sprang. Ich stürzte mit dem Kopf voraus vom Dach.
    Meine Kameraden halfen mir, in den Waggon zurück zuklettern. Jemand brachte das Brot an, das der Affe hat te fallen lassen. Feather besorgte mir eine Tasse Tee. Der Corporal spendierte mir eine Zigarette. Carter kam mit einem Baumwollappen, den er in Wasser getaucht hatte und mit dem ich mir das Gesicht und die Hände abwischen konnte. Es schien mir, als hätte ich mir einen Arm und beide Kniescheiben gebrochen.
    »Seht zu, daß er richtig Luft bekommt!« befahl Jock. »Der arme Kerl ist ja völlig fertig. Legt ihn auf die Sitzbank! Ich kenne das, ist mir schon oft passiert. Man will dann nichts anderes als frische Luft in die Lungen und einfach daliegen, und dann ist man gleich wieder okay. Ich bring’ diese verdammten Affen um, und reiß’ ihnen die Gedärme raus und beiße ihnen die Eier ab. Du bist in nullkommanichts wieder einsatzfähig, Stubbs, mach dir keine Sorgen. Geben Sie uns mal ’ne Zigarette, Corporal, und dann sollten wir ihm auf der Bank ein bißchen Platz machen.«
    »Ich hole lieber den Captain«, sagte Corporal Dutt.
    »Ach, es ist doch gar nicht nötig, diesen Heini zu holen«, sagte Jock mit einem Ausdruck des Unbehagens. »Vielleicht genehmige ich mir in der Kantine mal ein Bier und erkundige mich, ob sie uns ein oder zwei Brote abtreten können …«
    »Was für ein Land ist das«, sagte Carter, »wo die Affen sich deine Rationen klauen und damit abhauen wie eine Bande Nigger!«
    »Da kommen die Nigger doch her, nicht wahr?« sagte der Corporal. »Das steht doch so bei Darwin – die eine Bande ging aus der anderen hervor.« Er sah anklagend aus dem Fenster, als würde, dank der Hitze, der Evolutionsprozeß jeden Augenblick wieder stattfinden.
    So sehr ich ihre Fürsorge zu schätzen wußte, ich be fand mich nicht in dem Zustand, um sie richtig auszukosten. Ich lag auf der Sitzbank, wie sie es gewünscht hatten, den Kopf auf einem Seesack und den nassen Lappen auf der Stirn, während Schmerzwellen durch meine Beine und meinen Arm wogten. Was für ein Mist!
    Gegen Mittag begann unser Zug schließlich seine lange Reise in Richtung Kalkutta. Der Fahrtwind war hochwillkommen. Draußen glitt eine riesige Tiefebene vorbei, vom Sonnenschein von Millionen Jahren ausgebrannt. Ich fragte mich, wie man von jemand, der in einer solchen Umgebung lebte, erwarten konnte, so etwas wie Charakter zu haben. Die Einöde und die Sonne darüber verhinderten, daß ein einzelnes Leben eine Bedeutung, einen Sinn hatte.
    Gelegentlich erhaschten wir einen Blick auf skelettmagere Bauern, die die Ebene mit Pflügen, die von spindeldürren Ochsen gezogen wurden, aufkratzten. Wie konnte man erwarten, daß solche Bauern einen Charakter hatten? »Die Umstände sind mehr als der Charakter« – wo hatte ich das gehört? Ich hatte schon genug Probleme, meinen eigenen Charakter in den Griff zu bekommen und zu entwickeln. Selbst wenn ich es schaffte, dieses entsetzliche Land hinter mir zu lassen, konnte es sich durchaus als unmöglich herausstellen, diese weite Ebene, die Sonne und die seelischen Wüsten zu vergessen, die es darstellte. Was für ein Wahnsinn das alles war!
    Jock McGuffie stieß mich

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