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Der Aufstand

Der Aufstand

Titel: Der Aufstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean McCabe
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konnte, aber das war immer noch besser, als Rumble die Wahrheit zu gestehen. Wenn die VIA Wind davon bekam, dass Joel Solomon das Kreuz hatte und es auch einzusetzen gedachte – und das nicht nur gegen die Feinde der Federation, sondern gegen alle Vampire, die er aufstöbern konnte –, war sein Todesurteil so gut wie unterzeichnet. Und sie wusste nur zu gut, dass sie dann diejenige Agentin im Außendienst sein würde, die man damit beauftragen würde, ihn aufzuspüren und auszuschalten.
    Mit der Lüge hatte sie sich ein wenig Zeit verschafft. Jetzt musste sie nur noch eine Möglichkeit finden, Joel das Kreuz abzunehmen. Wie sie das aber anfangen sollte, ohne ihm wehzutun oder dabei selbst vernichtet zu werden, war ihr noch nicht klar. Sie wusste nur, dass die Uhr für sie tickte.
    «Das ist eine ernste Situation, Agent Bishop», stellte Rumble fest.
    Es war ein schlechtes Zeichen, wenn er sie so nannte. «Wem sagen Sie das», erwiderte sie nur.
    «Sie fliegen heute Nacht nicht nach London zurück. Ich möchte, dass Sie morgen Nachmittag zur Konferenz des Herrscherrats nach Brüssel kommen, Punkt vierzehn Uhr dreißig. Und fangen Sie schon mal an, darüber nachzudenken, wie Sie dem Rat neben der ganzen anderen Kacke, die hier am Dampfen ist, erklären wollen, wie Sie es zulassen konnten, dass eine Waffe, die jahrhundertelang sicher versteckt war, in die Hände des Feindes fallen konnte.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 66
    Crowmoor Hall
    Mitternacht
    J oel ging weiter durch den dunklen Gang unter dem Haus, immer tiefer hinab. Mit jedem Schritt wuchs seine Anspannung, und es fiel ihm immer schwerer, gegen den Impuls anzukämpfen, einfach davonzulaufen.
    Niemand griff ihn an. Kein Vampir lauerte ihm in den vielen dunklen Winkeln auf, die er gehetzt mit seiner Taschenlampe ableuchtete, links, rechts und wieder links. Der Lichtstrahl fiel nur auf nackten grauen Stein und dicke Schichten von Spinnweben.
    Aber irgendetwas war definitiv hier. Während er angsterfüllt weiterging, stieg ihm ein immer penetranter werdender Gestank in die Nase. Das Atmen fiel ihm immer schwerer. Dann leuchtete er nach oben und schrie unwillkürlich auf.
    An einem Metzgerhaken an der Gewölbedecke hing wie ein großes Stück Fleisch der Leichnam einer jungen Frau. Das weiße seidene Brautkleid, das sie getragen hatte, als sie gestorben war, hing blutverkrustet in Fetzen an ihr herab. Ihr Hals war bis zum Knochen aufgeschlitzt und ihre Brust so weit aufgerissen, dass gebrochene Rippen und innere Organe bloßlagen. Der Ausdruck des Entsetzens in ihrem Gesicht war schlimmer als alles, was Joel je bei einem Mordopfer gesehen hatte.
    Doch sie hing hier noch nicht lange genug, um einen derartigen Verwesungsgestank auszuströmen. Hier unten musste noch etwas anderes sein, und zwar nicht allzu weit weg. Joel schluckte seine aufkommende Übelkeit hinunter und leuchtete um sich. Wenige Meter entfernt entdeckte er einen über den Boden hinausragenden Kreis aus Steinblöcken von etwa einem Meter Durchmesser, der wie ein Brunnen aussah und mit einer dicken runden Steinplatte bedeckt war. Als Joel sie anleuchtete, sah er im Staub um den Rand der Platte blutige Fingerspuren, die darauf hindeuteten, dass sie vor nicht allzu langer Zeit bewegt worden war.
    Er legte das Kreuz für einen Augenblick ab, klemmte sich die Taschenlampe unter den Arm und versuchte, den steinernen Deckel wegzuschieben. Er war unglaublich schwer. Joel musste an Finch denken und an die ungeheure Kraft, über die der Mann offenbar verfügt hatte.
    Erst beim dritten Versuch gelang es ihm, die Platte knirschend ein paar Zentimeter zur Seite zu schieben. Der Gestank, der Joel aus dem finsteren Loch entgegenschlug, war so überwältigend, dass er beinahe umgefallen wäre. Er hielt sich mit dem Ärmel Nase und Mund zu und trat heftig gegen den Rand der Platte, bis er sie weit genug zur Seite gestoßen hatte, um in den Schacht hineinleuchten zu können.
    Das Loch konnte drei Meter tief sein oder auch fünfzehn Meter; wie tief der Haufen menschlicher Überreste hinabreichte, war unmöglich zu erkennen. In dem kurzen Augenblick, den Joel hinabschaute, bevor er zurücktaumelte und sich erbrach, sah er Dutzende grauer, fleckiger toter Gesichter, die zu ihm heraufzublicken schienen. Obdachlose, Ausreißer, illegale Einwanderer – Menschen, die irgendwie verschwunden oder nie als vermisst gemeldet worden waren. Sie zu identifizieren, würde eine grauenhafte Aufgabe werden. Zwischen den Toten

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