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Der Augenblick der Liebe

Der Augenblick der Liebe

Titel: Der Augenblick der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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Against all odds! Dem
    schrillen Wecker zuvorkommend. So aufzuwachen! Sie sollte
    seinen Gefühlen vertrauen. Seine letzten Briefe waren doch, trotz des alles beherrschenden Konjunktivs, Liebesbriefe.
    Und gerade das bezweifelte sie. Die ganze Briefschreiberei nur ein Spiel. Wenn nicht, dann wäre doch dieses Hin und Her längst hinaus über einfaches Verliebtsein. Der Ventilator
    summte. Die Nächte kühlten nicht mehr ab. Er hat ihre

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    Selbstzensur zersetzt. Thanks for lending yourself to my
    fiction. In zehn Tagen begann der normale Unterricht. Jeden
    Morgen von 8 bis 10 Uhr 30. Nur noch leise Wut auf sich selbst. Weil sie sich nicht rechtzeitig abgefangen hat. Wann wäre das gewesen, rechtzeitig? Und schon vermißte sie
    morgens sein Wecken. So schnell entsteht eine Erwartung.
    Alberta Hunter. Ihre Trösterin. Und bügeln. Drei Ladungen Wäsche. Und Haare waschen. In der Hitze jetzt: abschneiden
    lassen. Nein. Durchhalten. Seinetwegen. Bis März. Bis ...
    Immer noch fehlten ihr seine Hände. Auf der Terrasse hatte
    sie − es dauerte ja, alles in allem, nur zweieinhalb Stunden −
    nichts als sein Gesicht mitgekriegt. Mund und Augen, sonst
    nichts. Wahrscheinlich hat das Cordhemd mit seinem
    verzehrenden Lichtblau die Hände praktisch verschwinden
    lassen. Vielleicht hat sie deswegen von einem Dr. Douglas mit amputierten Händen geträumt. Schlicht beängstigend:
    daß sie sich nicht mehr am Ausmalen seiner Anwesenheit zu
    hindern vermag. Und jedesmal läuft der selbe Film ab. Sie wird auf ihn warten, er kommt auf sie zu, und blitzartig wird
    klar sein: was sie einen Sommer lang gesponnen, geredet, geschrieben haben, hat mit dem jetzt Wirklichen nichts
    gemein. Irgendwann wird dann doch einer von beiden etwas
    sagen. Sie weiß: nur jetzt kein falsches Wort. Vor allem: kein
    Wort zuviel. Und hört sich reden wie einen Sturzbach. Sie war doch dort auf der Terrasse mit Tarte Tatin, Frau Anna, dunkelstblau gewandet, und mit einer dicken glatten rein
    runden Goldkette bewehrt, mit Calvados und den pünkt‐
    lichen Schwänen und der Orgel La Mettrie, da war sie doch
    zu self‐conscious − deutsch sagt man wohl, eher rätselhaft, befangen dazu −, um von ihm mehr als die Augen und den 91
    Mund für spätere Abrufbarkeit zu speichern. Der Mund, der
    sich selber andauernd zurücknehmende und eben dadurch
    auf sich aufmerksam machende. Die meisten Männer hier
    sind, darf man sagen, dünnlippig. Oberlizard: Glen O.
    Rosenne. Zuzugeben ist, daß sie, bevor er wirklich hier
    eintreffen wird, gern ein Photo hätte, eins ganz von vorn, vielleicht MIT Händen, einfach daß sie, was sich in ihr zusammengebraut hat, ein bißchen der Wirklichkeit anglei-chen kann. Diese Angleichung etwa zu verschieben, bis er auf ihrem Sofa sitzt, hält sie für riskant. Ihr Sofa, das sie übrigens aus dem Hinterlaß einer Mörderin gekauft hat −
    Mörderinnen‐Hausrat ist der billigste −, ihr hellbeiges und trotzdem fleckenloses Sofa eignet sich nicht zu solchen
    Maßnahmen. Sobald er und sie bei ihr sind, verliert sie den Verstand. Sie hält es für fair, ihm das schon vorher
    mitzuteilen. Heiliger Julien Offray, steh uns bei. Sie können sich doch, wenn er da ist, kalifornischen Rotwein einflößen, vorsätzlich, mildernder Umstände wegen. Und wie kommt
    sie überhaupt dazu, sich ihn hier vorzustellen! Hierher wird
    er nie kommen. Vier Tage Kalifornien. Oder fliegt er dann noch mit nach NC? Schlüpft hier herein und unter.
    Schlüpfen! Deutsch ist toll!
    In genau 6 ½ Stunden ist es eine Woche her, daß er sie geweckt hat. Sie wünscht sich, die Zeit zurückdrehen zu
    können, daß sie die letzten drei Telephonate noch vor sich hätte. Daß er telephonisch die sogenannte Fassung leichter verliert als auf dem Papier, erfüllt sie mit den rosigsten Hoffnungen! Daß er beim gestrigen Morgengespräch fragte,
    was sie denn heute anziehe, hat sie sozusagen bezaubert.
    Noch keinen Mann hat das bisher interessiert. Da war immer

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    sie diejenige, die sich dem Jeweiligen ausmalen mußte.
    Denen schien ihre aktuelle Erscheinung immer nicht der
    Rede wert. Könnte es sein, glutet sie sich jetzt vor, daß er der zartestaufmerksamstegefühlvollste Mensch ist, den sie bis
    jetzt getroffen hat? Ach nein. Bitte, keine ungebührliche Erwartung, gar Forderung. Er soll das schurkischste Nullund-nichts sein. Ihr ist es (er) recht. Daß sein schriftliches Immerallesgesagtewiederzurücknehmen eine Art Ehrlich-keitstalent verrät, weiß sie. Aber als

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