Der Augenblick der Liebe
heute
die Green Card, die endgültige Arbeitserlaubnis, gekommen
sei. Jane: Evelyn habe die doch schon am Vormittag
abgeholt. Jane zu ihr: Das hat er gewußt. Der hat das nur gefragt, um Beate zu ärgern. Jetzt mußte geweint werden.
Mit verheultem Gesicht zum Graduate Student Meeting.
Und gleich wieder raus. Zu Rosenne. Bevor sie etwas von sich sagen kann, muß er mitteilen, daß er in seinem
Nietzsche‐Kurs mehr als hundert Studenten hat. Sie hat zum
Glück die Sonnenbrille vor ihren verquollenen Augen. Aber
Rosenne sagt dann, er werde helfen. Im Fakultäts‐Casino
zwei Martini Extra Dry. Ein Cheeseburger. Rick Hardy
kommt samt Tablett an ihren Tisch, benimmt sich demütig, wanzt sich richtig an, sie spürt, daß sie das brauchen kann.
Bietet ihm an, ihn heimzufahren. Er hat ja, weil immer Elaine
fuhr, nie einen Führerschein gemacht. Vor seinem Quartier reden sie weiter. Das heißt, Rick redet. Er redet und heult.
103
Daß sie ihn nicht angezeigt hat wegen seiner Attacke, die keine war, aber ein Unsinn war es, eine Schwäche, ein totaler
Ausrutscher, eine Jämmerlichkeit, die man sich nicht, die man sich niemals verzeihen kann, daß sie ihn aber nicht denunziert hat, daß sie sofort diesen Rückzieher gemacht
hat, sie hätte ihn doch vernichten können, und hatʹs nicht getan, eine kann einen vernichten, und tutʹs nicht, wo gibtʹs
denn so was, also wirklich, das sitzt bei ihm so tief oder traumatisch, tut auf jeden Fall weh, er hat das Gefühl, er müsse ihr irgendwann einmal die Hände um den Hals legen,
um ihr zu beweisen, daß er diesen Griff eher zärtlich als drohend meine, ein bißchen Drohung gehört zu jeder
Zärtlichkeit, ob sie das anders sehe? Jetzt protestierte die Nachbarin. Der Motor lief noch. Wurde abgestellt. Richard redete weiter. In dieser schürfenden Art. Bis kurz vor
Mitternacht. Auch als er nichts mehr hatte in dieser
schürfenden Art. Aber er hat immer etwas, das man nur von
ihm erfahren kann. Wahrscheinlich wäre er, wenn er nicht andauernd die gesamte UNC ausspionieren müßte, längst
Harvard‐Professor. Wenn er dann aber ein paar Bytes aus
seinen Nachrichtendateien aufmarschieren läßt, ahnt man,
daß man eine Karriere genau so gut auf Nachrichten‐
beschaffung wie auf Wissenschaft gründen kann. Und er
weiß, was er wem zu servieren hat. Glen O. Rosenne ist also
seit drei Jahren Klient von Dr. Douglas. So etwas läßt Rick Hardy verlauten unter der Rubrik: Wie du ja weißt. Und er weiß genau, wie sensationell diese Mitteilung wirkt. Und
macht so weiter. Zwischen Sue‐Ann Rosenne und dem
Gatten Glen reime sich nichts mehr. Dr. Douglas habe
erklärt, er sei mit seinem Latein bald am Ende. Natürlich 104
wollte Beate jetzt mehr wissen. Wenn möglich, alles. Aber Rick war auch darin Meister. Für heute reichtʹs. Vielleicht schon bald mehr. Dann vielleicht sogar ALLES. Und drückte
ihr die Hand, als wolle er nur den Unterschied zum
Professor demonstrieren. Und ging. Als er verschwunden
war, wollte sie den Pontiac starten. Aber der reagierte nur mit einem erbärmlichen Gurgeln. Die Batterie leer. Sie rannte
hinter Rick her, der war schon im Haus verschwunden. Sie rannte zurück zum Auto. Der Schlüssel drin. Die Türen auf Schließen gedrückt. Zu Fuß heim. Morgen AAA anrufen. Mit
Ersatzschlüssel hin. Warten bis die Batterie geladen ist.
Die Stelle in Vassar, die ihr in Aussicht gestellt worden war, wird nicht frei. Die Frau, die man dort loswerden
wollte, hat durchgesetzt, daß sie bleiben kann.
Das Ticket nach San Francisco liegt vor ihr auf dem Tisch.
Billigflug. Daß er jetzt vorsorglich sein Alter grell beleuchtet, findet sie sowohl lustig wie auch lieb. Männer stehen doch zu ihrem Äußeren, egal, wie alt sie sind. Sie war zwei Jahre
mit einem Mann zusammen, dem es bei einem Autounfall
die Kopfhaut verbrannt hatte, der ein dezentes Haarteil trug,
das sie erst als solches erkannte, als sie von anderen darauf aufmerksam gemacht wurde. Genügt ihm das?
Ob er ahnt, daß es Wörter gibt, mit denen sie noch nie bedacht wurde. Liebes nennt er sie. So hat sie noch niemand
genannt. Und sie mußte nicht lachen. Daß seine Wörter einen
Oberton haben, der aufs zarteste komisch ist, muß er ahnen.
Daß er solche Wörter trotzdem benützt, offenbar nicht
anders kann, als sie zu benützen, das geht ihr durch und durch. Daß er gefürchtet hat, die durch Magdas unerklärliches Verschwinden entstandene achttägige Unterbrechung
105
des
Weitere Kostenlose Bücher