Der Augenblick der Liebe
einmal eine Schwimmweste hast du dir angetan, so schlug die Katastrophe zu. Du hast es nicht gewollt. Ganz und gar nicht. Du bist nicht der, der so etwas wollen könnte. Sollen sie die NIOBE suchen, finden, heben. Du mußt das verlangen. Professor Piccard hat aus dem Vier waldstätter See zwei Leichen geborgen, aus 175 Meter Tiefe, der wird gerufen. Und die Taucher. Zwei Weitwinkel Unterwasserkameras, mit einander verbunden, sollen den Seegrund ausleuchten und suchen. Sonargeräte her. Die neuesten. Die finden die NIOBE , ein Staatsanwalt, der nichts zu tun hat, erhebt Anklage. Gottlieb im Gerichtssaal. Im Schwurgerichtssaal. Umdrehen. Ganz schnell. Genau so unterm Diktat der Notwendigkeit. Gottlieb krault zurück. Gegen die Wellen. Aber die Wellen sind noch keine. Das ist nur Gewell. Die NIOBE ist am Sinken. Der Freibord schon zur Hälfte im Wasser. Gottlieb könnte sich an der Seite hochziehen. Dann schwappt das Wasser herüber. Um das Kentern zu vermeiden, über die Badeleiter hinauf. Es riecht nach Brand, aber keine Rauchfahne. Er schaut sich um. Keine Zeugen. Nur das aufgeregte Geblinke der Sturmwarnung. Er reißt den VorlukRolladen hoch, in der Kajüte hat es gebrannt, aber es brennt nicht mehr. Es glustet. Gottlieb holt die Pütz, schöpft Wasser, übergießt die ohnmächtige Anna. Zerrt sie heraus. Schwer war sie nie. AnnaAnnaAnna, ruft er, schreit er. Ihr Gesicht ist fast schwarz. Verbrannt. Auf einer Seite. Vielleicht nur eine Schürfung. Er bindet ihr eine Schwimmweste um. Hineinschlüpfen geht nicht. Er hievt sie über Bord, läßt sie los und springt sofort neben ihr ins Wasser, hat sie im Griff, bevor sie sinken kann. Vor tausend Jahren hat er den DLRG Schein gemacht. Endlich eine Praxis. Mit beiden Händen von hinten ihr unters Kinn. In Rückenlage schwimmend, sie auf ihm. Das geht. Die ihr um die Taille gebundene Schwimmweste hilft. Er muß nur den Oberkörper über Wasser halten. Leicht ist es nicht. Immer wieder drückt ihr Gewicht ihm den Kopf unters Wasser. Das Wasser dringt durch die Nase in den Rachen. In die Luftröhre. Er hustet es heraus. Er kriegt keine Luft mehr. Er reckt den Kopf an Annas Kopf vorbei in die Höhe. Dadurch gerät Annas Kopf ins Wasser. Das Wasser schlägt über ihnen zusammen. Die Wellen. Der erste Blitz. Die Wetterwand ist heran. Ein nicht sofort knallender Donner. Zurück zur NIOBE . Die schwankt. Und sinkt. Der Mast schlägt wild durch die Luft, als rufe er um Hilfe. Gleich werden die Wellen hineinschlagen. Unter der Wucht der Wellen schwappt das Wasser im Boot hin und her. Die NIOBE legt sich auf die Seite. Sie versinkt. Es bleibt nur der Bodanrück. Daß es nahezu dunkel ist, tut gut. Sie sind ohnehin mehr unter als über dem Wasser. Er kann Annas Kopf über den Wasserspiegel stemmen, aber dadurch drückt es ihn selber unters Wasser. Untergehen? Noch einmal alles von vorn, Anna. Sich unter sie bringen, sie auf ihn, dann ruhige Schwimmbewegungen. Aber sie ist zu schwer. Die Wellen schlagen über ihnen zusammen. Er wird das nicht schaffen. Anna. Dann. Dann, Anna, dann zusammen. Er hätte ihr die Schwimmweste richtig anziehen sollen. Verdoppeln. Die Beinarbeit verdoppeln, verdoppeln, verdoppeln. Dann bleibt dein Kopf über Wasser. Und er verdoppelt. Eines ist ganz sicher, dieser Schmerz vom Verdoppeln der Beinarbeit, den hält er aus, den hält er leicht aus, den hält er ewig aus. Wenn etwas unvorstellbar ist, dann das Nachlassen seiner Kraft, die Verlangsamung der Beinarbeit. Anna, hörst du? Annas Kopf hochhalten, du unter Wasser, du brauchst keine Luft
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