Der Augenblick der Liebe
signalisierten, das ihr einfach lebendiger vorkam als die fein kalkulierte UntreueÖkonomie des genialen Erfinders. Glückliche Madelon. Kein Neid. Tränen schon. Beim Ab schied hatten dann beide geweint. Und sie hatte herzhaft gesagt, sie komme bald nach. Und Madelon hatte gesagt, daß sie Beate J. erwarte. Auf der Insel Trinidad nämlich.
Daß sie dann, vier Wochen vor dem Tag X, der Nacht Y, auch noch schwarze Unterwäsche gekauft hatte, nahm sich Beate übel. Ihn glücklich machen, wie er noch nie war. Solches Zeug mußte sie andauernd niederringen, wissend, daß jede niedergerungene Schummervision dieser Art die nächste produzierte. Seine Erregung spüren. Sie fühlte sich umstellt von Giergespenstern. Halbwegs erträglich fand sie sich erst wieder, wenn sie solche Sätze an sich selbst adressieren konnte: So darf man sich einfach keinem Men schen ausliefern. Wahrscheinlich war es zu spät. Er hatte sicher alles schon erfaßt, bewertet, abgelegt. Seine neuer dings spürbare Angst vor dem 22. März war eine kluge Angst. Die Wut wachsen lassen! Ihre einzige Rettung war immer ihre Wut gewesen. Wenn die Grenze des Zumutbaren deutlich überschritten war ... Am besten wäre es, eine objektive Katastrophe verhinderte alles. Natur, Politik, Technik ... Aber statt einer Katastrophe, jeden Tag neue Jubelmeldungen über die Blauwale. Daß sie niemanden hatte, mit dem sie darüber reden konnte, wie sie nach dem Soundsovielten weiterleben sollte! Daß Madelon jetzt fehlte, tat weh. Dafür einmal pro Woche eine Karte aus Port of Spain. Louis hat schon einen Job in einer Fabrik, in der eine USGesellschaft Fernsehgeräte zusammensetzen läßt. Sein Brian G. Dewey hat ihm nobel bescheinigt, daß er in einem TechnologieUnternehmen der feineren Art einen erfah rungsreichen Job gehabt hat. Also machten sie ihn dort sofort zum Vorarbeiter. Und Madelon am Independence Square im Tourist Board aussichtsreich, die US Touristen strömen. Und du? Wenn sie so weitervegetierte, würde sie ihm am zwei undzwanzigsten mit verquollenen Augen entgegengehen. Dann konnte sie das Kosmetikköfferchen gleich daheim lassen. Und die Wäsche auch. Und erst recht sich selbst. Sie hat noch einen Kimono gekauft. In seinem letzten Brief kam, zum ersten Mal, das Wort sehnen vor. Daraus wollte sie sich nicht vertreiben lassen. Sie war doch nicht ihr eigener Feind. Amourpropre, bitteschön. Sie war jetzt gierig auf Anzeichen der Bedürftigkeit, der Schwäche seinerseits. Sie sollte ihn bergen, schützen, wärmen, retten müssen. Die ganze Welt eine Feindseligkeit, und sie, der nackte Engel ... Ach nein, bitte ... Sie nahm sich vor, ab sofort keine Telephonate mehr. Stimmungsabbau jeder Art. Zur Ermöglichung eines glimpflichen Übergangs vom hemmungslosen Gieren und Schwärmen in ein erträgliches reales Visavis. Vielleicht sollten sie von jetzt an nur noch La Mettrie behandeln. Ein jäher Briefwechsel über La Mettrie. Das fiel ja zusammen: Sobald er wieder abgereist sein wird, hatte sie ihre drei Kapitel Rohfassung zu liefern. Bei dem Wort Rohfassung konnte sie verweilen. Tatsächlich konnte sie sich von Gottlieb W. durchaus Brauchbares versprechen. Er arbeitete seit Wochen an dem Vortrag für die Konferenz in Berkeley. Jetzt, zwei Wochen vor ihm, war der Text bei ihr eingetroffen, daß sie ihn übersetzen konnte. Entsprechen ist alles. So sein Titel. Klang da Shakespeare durch? Entsprechen würde im Englischen abstrakter daherkommen als im Deutschen. Im letzten Kapitel ihrer Dissertation würde Wendelin Krall dominieren. Daß sie so, wie sie jetzt
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