Der Augenblick der Liebe
gemacht hat mit dem Sprach schwindel hie Körper, da Seele, daß ihn seitdem keiner übertroffen hat in seiner Fähigkeit, sich, uns alle, den Men schen als eins, als ein Einziges zu erleben, und nicht nur den Menschen, Herr Zürn, alles ist eins, die Mücke, der Hund, der Mensch, die Sonnenblume, alles ist aus dem selben Stoff, und Bewußtsein ist überall! Das hat vor ihm und nach ihm keiner so mitreißend erlebt und erzählt. Herr Zürn! Herr Krall! Was ist los mit Ihnen?!
Gottlieb spürte, daß sie ihn heftig loben wollte. Er müßte ihr sagen, daß er ein Training hinter sich habe. Schluß mit dem Gelobtwerdenwollen. Das Gelobtwerdenwollen ist das unverwüstlich Kindheitliche in uns. Und je älter wir werden, desto komischer wirkt dieses Immernochgelobtwerdenwollen. Irgendwann müßte, was man tut, sich selber loben. Oder eben nicht. Bei dir eben nicht, Gottlieb Zürn. Deshalb bist du immer noch in Gefahr, abhängig zu werden von solchen, die dich loben. Oder die so tun, als wollten sie dich loben. Es lobt dich jeder nur um seinetwillen. Das ist erfahren. Keiner lobt dich um deinetwillen. Also schließ deine Ohren vor diesem freundlichen Schwall. Schenk ihr noch einen Calvados ein. Und noch einen. Ermuntere sie zum Trinken, daß sie dann selber merkt, wie wenig glaubwürdig sie ist. Gib ihr Gabrieles Telephonnummer. Soll sie die ausfragen über La MettrieWirkungen in Deutschland. Das tat er dann. Die Besucherin war entzückt. Eine junge Politikerin, die durch La Mettrie zu sich selbst gefunden hat. Das ist Wirkungsge schichte! Fabelhaft! Dann mußte sie tatsächlich gehen. Die Großtante braucht das Auto, weil sie heute ihren Bridge Abend in Bad Schachen hat. Aber sie sei so froh, daß sie es gewagt habe, hier einzudringen und vorzudringen zu Wen delin Krall. Sie habe viel gelernt an diesem zu kurzen Nach mittag. Und so weiter.
Gottlieb hörte das wie aus weiter Ferne. Die konnte jetzt also einfach gehen. Und er, der Immerschonidiot, blieb ver blutend zurück. Er ging mit ihr zum eisernen Gartentor, das man nur aufkriegte, wenn man es zuerst nach oben riß, dann erst konnte man es zu sich herziehen. Auch kreischten die Angeln, weil Gottlieb vor lauter Sitzenmüssen nie dazu kam, sie zu ölen. Sie blieb stehen, hob Kopf und Schultern, als stünde sie unter der Dusche, und sagte mit ihrem dabei sich ganz langsam öffnenden Mund: Toll. Gottlieb blieb nichts übrig als zu fragen: Was? Das Kreischen, sagte sie, so schön, so schrill. Und wie sie vorher scharf mit drei f¹s gesprochen hatte, sprach sie jetzt schrill mit einem nicht aufhörenden l aus. Daß sie ihre Zunge während dieses unaufhörlichen l¹s ziemlich entblößte, schien ihr nichts auszumachen. La Met trie läßt grüßen, dachte Gottlieb und machte durch eine Kopfbewegung deutlich, daß er jetzt, solange sie das l tril lerte, vor sich auf den Boden schauen werde. Da sah er, zum ersten Mal, ihre Schuhe. Wahrscheinlich waren die jetzt gerade modern. Viel länger als nötig, so weit kann kein Fuß nach vorne kommen, so schmal kein Fuß sein, und ganz vorne nicht mehr spitz, sondern wie abgesägt. Aber das wirklich Attackierende war das Schlangenleder oder Schlan genledermuster. Total tropisch beziehungsweise: die Schlan ge persönlich. Die Absätze manierierter als je. Geschwungen dünn und dann doch ziemlich massiv auf den Boden kommend.
Er schaute wieder nach oben.
Sie werden, fürchte ich, von mir hören, sagte sie. Der Animateur La Mettrie! Sie sei so unbescheiden zu vermuten, daß sie Zeugin einer Wiederbelebung geworden sei. Die sei
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