Der Augenblick der Wahrheit
ich.
»Frankfurter Flughafen, morgen nachmittag, VIP-Lounge in der zentralen Halle am Duty-free-Shop. Es gibt da zwei Flüge von Madrid und Moskau, die sich fast kreuzen.«
»In Ordnung. Woran erkenne ich Sie?«
»Ich werde Sie schon finden. Groß, schlank, Lederjacke, Zopf, Jeans. Sie lesen die aktuelle Ausgabe von El Pais. «
»Das ist nicht ganz verkehrt«, sagte ich.
»Bringen Sie ein Foto des Objekts mit. Bis morgen, Mr. Lime«, sagte er.
Für die meisten sind Flughäfen Ankunfts-und Abflugsorte, aber für beschäftigte Geschäftsleute oder internationale Forscher sind sie praktische Treffpunkte. Hier kann in aller Eile ein Treffen oder eine Konferenz abgehalten werden. Man kann Konferenzsäle mieten und verschwendet keine Zeit damit, in die Stadt zu fahren und ein Hotel zu suchen. Man verhandelt zwischen zwei Starts und sieht nichts anderes als den Flughafen.
Ich habe das selbst schon gemacht und wunderte mich nicht über seine Wahl. Frankfurt lag genau in der Mitte zwischen Madrid und Moskau.
Nachdem ich angekommen war, kaufte ich eine Cola und setzte mich mit El Pais an einen Tisch. Es herrschte großer Betrieb, viele hatten Pakete, als wollten sie auf eine frühe Weihnachtsreise. Der Transitbereich eines internationalen Flughafens gehört zu den sichersten und anonymsten Orten der Welt. Man ist einer unter vielen und wird von niemandem beachtet, es sei denn, man wird gesucht oder beschattet.
Ein gedrungener, sportlicher Mann etwa meines Alters setzte sich mir gegenüber und reichte mir die Hand.
»Sergej Schuganow«, sagte er. Er trug einen makellosen dunklen Anzug mit blendend weißem Hemd und einem geschmackvollen Schlips, der von einer goldenen Krawattennadel mit feinem Diamant gehalten wurde. Am Handgelenk prangte die unvermeidliche Rolex, und er duftete nach einem teuren Rasierwasser oder Parfüm. Sein Gesicht war voller feiner Fältchen und braungebrannt, als machte er ständig Urlaub oder eher: als ginge er ins Solarium. Seine Augen waren sehr blau, und am Mundwinkel hatte er eine kleine Narbe. Sein Händedruck war kurz und fest.
»Kaffee, Mr. Schuganow?« fragte ich.
»Vielen Dank. Wir haben eine knappe halbe Stunde, Mr. Lime. Ich fliege mit der nächsten Maschine zurück.«
Ich holte für ihn eine Tasse Kaffee und für mich eine Cola. Ich hatte ein paar aktuelle Fotos von Oscar mitgebracht, die ich selbst aufgenommen hatte. Einmal in ganzer Figur, dann ein Porträt von vorn und eins mehr im Profil. Ich legte sie dem Russen vor, der sie begutachtete.
»Ein großer Mann«, sagte Schuganow. »Um die fünfzig. Gut gekleidet. Selbstsicher. Hat Geld. Gepflegt, aber Tendenz zum Bauch, der guckt raus. Sprache, Nationalität, Hintergrund?«
Ich erzählte von Oscar. Daß er deutscher Staatsbürger sei und außer Deutsch, Spanisch und Englisch vielleicht ein wenig Russisch spreche. Ans Reisen gewöhnt. Er sei von der Stasi trainiert. Ich erklärte den Hintergrund.
Da blitzten die kalten blauen Augen endlich auf.
»Aha. Das kompliziert die Sache natürlich ein bißchen.«
»Inwiefern?« fragte ich.
»Es ist etwas schwieriger, einen Mann zu finden, der gelernt hat, seine Spuren zu verwischen. Das macht es ein bißchen teurer, Mr. Lime. Und was wünschen Sie genau von mir?«
»Daß Sie ihn finden. Ich glaube, er ist in Moskau. Er kam vor etwas über einer Woche dort an. Das ist alles, was ich weiß«, sagte ich.
»Es kostet 1000 Dollar am Tag. Als Sicherheit überweisen Sie 10000 Dollar auf ein Schweizer Konto. Sie decken alle Ausgaben der Operation. Der Finderlohn beträgt 10000 Dollar.«
»Und wenn Sie ihn nicht finden?«
Jetzt lächelte Schuganow sogar.
»Einen zwei Meter großen Deutschen, der erst seit einer Woche in Moskau ist, den finden wir. Wir haben unsere Verbindungen. Wie vieles andere im neuen Rußland ist das nur eine Frage des Geldes. Wenn das Objekt Moskau verlassen hat, ist es etwas komplizierter, aber machbar. Wenn sich das Objekt weiter in Moskau befindet, dauert es kaum mehr als eine Woche. Wenn wir ihn nicht finden, zahlen Sie lediglich die tatsächlichen Ausgaben, aber das ist eine hypothetische Situation. Wir finden ihn, tot oder lebendig.«
»Fein«, sagte ich.
Schuganow lehnte sich über den Tisch.
»Was sollen wir tun, wenn wir das Objekt gefunden haben?«
»Ich brauche einen Führer. Ich kann kein Russisch.«
»Das versteht sich von selbst, aber wünschen Sie, daß wir bezüglich des Objekts etwas unternehmen sollen? Ich brauche nicht zu wissen, warum
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