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Der Augenblick des Magiers

Der Augenblick des Magiers

Titel: Der Augenblick des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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andere die Mütze zum Gruß zogen. Jeder bewegte sich völlig unabhängig von den anderen.
    Natürlich gab es auch eine viel einfachere Erklärung: Diese Welt hatte ihn endgültig in den Wahnsinn getrieben. Doch bei sorgfältiger Inspektion stellte sich heraus, daß alle dreißig Otter eines gemeinsam hatten. Es genügte, um ihn davon zu überzeugen, daß er doch noch nicht in irgendeiner metaphysischen Fallgrube völlig den Verstand verloren hatte. Denn obwohl sich alle Otterdoppel unabhängig von allen anderen bewegten, einen unterschiedlichen Gesichtsausdruck aufwiesen und unterschiedliche Gesten machten, blieb doch jedes von ihnen an ein und derselben Stelle stehen. Kein einziges entfernte sich oder kam näher.
    Bis einer der Otter ihn von hinten anrempelte und ihn fast zu Tode erschreckte. Er packte dieses einzige mobile Wesen an der Schulter und schüttelte es heftig durch. »Mudge, bist du das?«
    Die Augen des Otters wirkten glasig. »Da bin ich mir selbst nicht mehr sicher, Kumpel. Ich 'ab mal geglaubt, daß ich ich bin. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Ich bin 'in' ausgegangen, um Beeren fürs Frühstück zu sammeln, und als ich zurückkam, sah ich diesen 'aufen da.« Er zeigte auf den Kreis aus Mudges, die das Lager umzingelten. »Vielleicht bin ich gar nicht ich. Vielleicht ist einer von denen da ich.«
    »Wir sind alle du«, erwiderte der Otterchor, »jeder einzelne von uns.«
    »Ja, aber ich bin ein besseres Du«, beharrte ein Paar Mudges zur Rechten.
    »Keine Chance«, widersprachen drei, gegenüber im Kreis.
    »Wir sind die besten Mudges, wir!«
    »Quatsch, ihr könntet nicht mal eure wirklichen Eltern narren«, erklärte ein Quartett aus Mudges aus der rechten Flanke.
    »Es muß irgendeine Erklärung dafür geben«, sagte Jon-Tom ruhig. »Eine vernünftige Erklärung.«
    »Klar, gibt es auch, Kumpel«, erwiderte der Mudge an seiner Seite. »Ich bin viel zu lange mit dir rumgezogen, und jetzt bin ich schon genauso verrückt wie du.«
    »Keiner von euch ist verrückt«, sagten die beiden Mudges, die unmittelbar vor ihnen standen.
    Als Jon-Tom blinzelte - oder zu blinzeln glaubte -, verschwanden die Mudges plötzlich. Sie wurden durch etwas noch viel Schlimmeres ersetzt: durch ein Paar einsachtzig großer, indigo und grün gekleideter Jon-Toms. Er starrte seine absolut vollkommenen Duplikate an.
    »Ein Trick, das ist irgendein Trick! Eine optische Täuschung.« Gewiß war es das, doch wer brachte sie hervor und warum? Während der Nacht hatten sie nichts bemerkt, und der empfindliche Mudge wäre doch sicherlich bei einer solch großen Schar von Eindringlingen aufgewacht. Jon-Tom wandte sich an den Otter.
    »Du hast doch niemanden außer uns auf der Insel bemerkt, oder?«
    »Niemanden«, versicherte ihm der Otter. »Aber jetzt 'aben wir allerliebste Gesellschaft!«
    »Da muß mehr als einer am Werk sein«, brummte Jon-Tom.
    »Hier geht viel zuviel auf einmal vor, als daß ein einzelnes Wesen das allein bewältigen könnte.«
    »Da hast du recht.« Er drehte sich nach der Stimme um, um drei weitere Jon-Toms zu sehen, die sich miteinander unterhielten. Einer von ihnen stützte sich auf seinen Rammholzstab, ein anderer zeigte auf ihn, und der dritte musterte eindringlich seine Hände. Doch blieben sie alle wie angewurzelt an derselben Stelle. Tatsächlich schien es ihm... ja, jetzt war er sich ganz sicher: Die drei neuen Jon-Toms standen an derselben Stelle wie die drei inzwischen verschwundenen Mudges. Die Otter hatten sich in Jon-Toms verwandelt.
    »Ich weiß nicht, wer oder was ihr seid, aber wenn ihr uns Angst einjagen wollt, habt ihr jedenfalls versagt.«
    »Red mal lieber nur für dich selber, Kumpel«, murmelte Mudge halblaut.
    »Euch Angst einjagen? Warum sollten wir euch denn Angst einjagen?« fragte ein Trio aus Mudges zur Linken.
    Einmal mehr mußte Jon-Toms Verstand mit einer beunruhigenden Bewußtseinsverschiebung fertigwerden. Die Mudges verschwanden, um durch drei Bäume ersetzt zu werden. Jeder von ihnen bestand aus einem Stamm, der in einem wedelnden, biegsamen Wipfel endete. Am Fuße des Stamms wuchsen Blumen hervor. In der Mitte jeder Blüte war ein undeutliches, puttenähnliches Gesicht zu erkennen. Jon-Tom konnte zwar Augen und Münder ausmachen, jedoch weder Nase noch Kinn. Zu beiden Seiten standen Ohren hervor, und vom Wipfel eines jeden Baums wuchs eine einzelne dicke, spitz zulaufende Liane. Jon-Tom konnte nicht erkennen, wo die eine aufhörte und die andere begann.

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