Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)
Weg! Und ALG II ist ja keine Versicherungsleistung, sondern eine steuerfinanzierte …Fürsorgeleistung will ich es mal nennen, ein Almosen eigentlich. Und Fürsorgezöglinge, bzw. Almosenempfänger dürfen sich nicht wundern, wenn sie hart rangenommen werden. Eines der vier Kriterien für ALG II ist ›Hilfsbedürftigkeit‹. Ein ›EHB‹, also ein erwerbsfähiger Hilfsbedürftiger, der um Almosen ansucht, kann sich nicht gleichzeitig hinstellen und sagen, ich möchte also weiter als Kunstpädagoge arbeiten, das habe ich studiert … Ja soll denn die Allgemeinheit Ihre luxuriös beruflichen Erwartungen finanzieren?! Diese Zeiten sind vorbei, Sie müssen sich jetzt schon auch die Finger schmutzig machen, wie jeder andere auch! So. Das z. B. meinte ich mit der Würdelosigkeit. Der Hebel, an dem die ganze Sache psychologisch funktioniert, ist ›Hilfsbedürftigkeit‹ und ›Almosenempfänger‹. Mit diesem moralischen Druck stopft man den Leuten das Maul.
Also man bekommt dieses Sozialleistung nur dann, wenn man hilfsbedürftig ist, und zwar mit der Auflage, diese Hilfsbedürftigkeit, durch egal was – wenn nicht aufzuheben, dann wenigstens zu mindern, sozusagen als Gegenleistung, denn es gehört sich einfach so. Zumal es für alle erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen ja auch noch die ›soziale Absicherung‹ gibt. Auf der Basis der Mindestbeiträge wird von der BA Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung abgeführt, was natürlich das Problem endlos nach hinten verlängert. In den Job-Centern, in den ARGE’s, weiß man ganz genau, daß es, außer für ein paar gesuchte Fachkräfte, keine Arbeitsstellen gibt. Also wird der Kunde, ohne Ansehen der Person sozusagen, in eine Maßnahme nach § 16 Abs. 3 SGB II gesteckt, in eine Arbeitsgelegenheit, den Ein-Euro-Job, bzw. wird in der Behörde gern vom Aktiv-Job oder Zusatzjob gesprochen. Bleiben wir bei Ein-Euro-Jobs, es handelt sich hier um subventionierte Arbeitsverhältnisse, wirklich sinnvoll daran ist lediglich die Sache ›Zusatzjobs und Bildung‹, also wo junge Leute, oft ohne Hauptschulabschluß und Arbeitserfahrung gefördert werden können und rauskommen aus der Lethargie des Nichtstuns. Für viele andere Kunden stellt es sich als Ein-Euro-Arbeitsdienst dar. Als pure Maßnahme. Die sogenannten Maßnahmeträger sind meist die Kommunen, Kirchen, Vereine, Wohlfahrtsverbände, Archive, Denkmalpflege, Umweltschutz usw., die können bei den Job-Centern Arbeitskräfte anfordern, für all die Tätigkeiten, die zwar wichtig und notwendig sind, aber auf Grund des Niedergangs dieser Republik schlicht und einfach nicht mehr finanziert wurden und sich selbst überlassen waren. Es gibt so eine Positiv-Negativ-Liste – diese Arbeiten sollen nach dem Gesetz ja ›zusätzlich‹ sein und keinen regulären Arbeitsplatz gefährden oder ersetzen – da wurde, in Absprache mit den Handwerkskammern, Unternehmerverbänden, der Wirtschaft, den Kirchen und Wohlfahrtsverbänden eine Liste erstellt, welche Beschäftigung als Zusatzjob in Frage kommt und welche nicht. Es gibt nur wenige, die nicht in Frage kommen. Das Kriterium ›im öffentlichen Interesse‹ und ›gemeinnützig‹ läßt sich ja beliebig ausdehnen. Aus der Arbeitslosenarmee wird so unter der Hand eine Billiglohn-Reservearmee, so wie die Wirtschaft sie braucht. Wir machen dann also mit dem Kunden eine sog. Eingliederungsvereinbarung über den Zusatzjob, die gilt für sechs Monate, kann verlängert werden, dreißig Wochenstunden sollen nicht überschritten werden, damit noch, man höre, Zeit bleibt für Bewerbungen. Und das Schöne, sobald die alle in so einem Zusatzjob sind, gelten die nicht mehr als arbeitslos, sie sind nur ›Arbeitssuchende‹ und werden somit aus der Statistik rausgenommen.
Und damit das auch wirklich klappt, hat man Zumutbarkeitsregelungen erlassen. Also zumutbar ist jedem Erwerbsfähigen jede Arbeit, auch bei stark untertariflicher Entlohnung bis an die Grenze der Sittenwidrigkeit. Zumutbar für reguläre Jobs ist Mobilität bis in ein anderes Bundesland, auch Pendelzeiten bis zu drei Stunden täglich sind zumutbar, wenn Arbeit dadurch zu bekommen ist. Die Ein-Euro-Jobber, die den Zumutbarkeitsregelungen besonders unterworfen sind, dürfen, als kleinen Anreiz, die volle Summe des Zuverdienstes behalten, während die Zuverdienstregelung sonst bei max. 30 Prozent liegen. Falls aber das Zuckerbrot nicht zieht, dann haben wir ja noch die Peitsche, in Form der Sanktion, die regelwidrigem
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