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Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)

Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)

Titel: Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Goettle
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bekommt jeder zweimal 345 Euro, in nichtehelicher Gemeinschaft sind das nur zweimal 311 Euro und anteilige Miete. Und wenn Sie jetzt noch Kinder haben und sagen dann, Sie sind alleinerziehend, dann bekommen Sie zudem noch den Mehrbedarf für Alleinerziehende. Das darf man nicht unterschätzen, das summiert sich natürlich. Es gibt viele Probleme mit der nichtehelichen Gemeinschaft. Wir hatten das auch schon, daß eine Mutter sagte, der ist gar nicht der Kindesvater, bzw. sie hat den Kindesvater nicht benannt. Sie lebt aber mit ihm in einer WG oder hat eine Wohnung im selben Haus. Das hat zur Konsequenz, daß sie zwar als Alleinerziehende den Mehrbedarfszuschlag erhält, aber das Problem ist, daß die Unterhaltsvorschußkasse verlangt, daß sie den Kindesvater angibt, sonst bekommt sie keinen Unterhalt.
    Ein anderes Problem betrifft die Patchworkfamilien. Sie wissen vielleicht, daß durch die Neuregelung jetzt Folgendes passiert: Wer heute eine Patchworkfamilie gründet, z. B. mit einer Mutter die ALG II empfängt, der muß sich darüber klar sein, daß er für deren Kinder, die ja nicht seine eigenen sind, sondern seine Stiefkinder, dennoch voll einzustehen hat. Das heißt, er hat sein Einkommen einzubringen, ist unterhaltspflichtig, egal, ob er Stiefvater oder ›Stiefpartner‹ ist. So wurde das geregelt. Also, daß man nun auch noch die Stiefeltern bzw. Partnerschaft verpflichtend heranzieht, das geht eindeutig zu weit! (Auch Bundessozialrichter Wenner hält die Versorgungspflicht von Stiefpartnern für verfassungsmäßig nicht zulässig. G. G.)
    Man muß abwarten, wie das Bundessozialgericht dazu entscheidet.
    Also, stellen Sie sich doch einfach mal vor, Sie lieben jemanden und sagen, okay, die Kinder kommen mit in den Haushalt. Wir sind eine nichteheliche Gemeinschaft, ist klar. Aber soll ich als Stiefelternteil dann auch noch für die ›fremden‹ Kinder einstehen?! Das wirkt abschreckend und verhindert geradezu die Patchworkfamilien. Gut, wenn es kein finanzielles Problem ist, okay, aber wenn es einer nicht kann, wenn dann das Geld nicht mehr reicht? Das geht doch nicht! Warten wir die Entscheidung ab.
    Also, wenn jetzt die Bundesregierung sagt, wir haben einen Rückgang bei ALG-II-Empfängern, dann können Sie davon ausgehen, daß dieser Rückgang genau daraus resultiert, daß die Bedarfsgemeinschaft erweitert wurde, daß die Stiefeltern auch noch mit ins Boot gezogen wurden. Und dadurch natürlich, daß man stärker sanktioniert, indem man z. B. Leute, die keine zumutbare Arbeit aufnehmen, sehr viel schneller aus dem Leistungsbezug ausschließt. Dann sind auch die raus aus der Statistik. Ich weiß, daß allein in Neukölln jeder Vierte ALG II bezieht. Wir haben dort 45000 Bedarfsgemeinschaften, rechnen Sie das hoch, das sind circa 70000 bis 75000 Menschen. Das ist schon ein Brandherd, und wenn Sie sich dann noch vorstellen, daß die ganzen Jugendlichen zu Hause nicht ausziehen dürfen – ja wunderbar, damit hat man die Bedarfsgemeinschaften auch schon wieder verringert und hat gespart.
    Es gibt ja eine ganze Anzahl von Leuten, die ALG II gar nicht erst in Anspruch nehmen wollen. Ich kenne einen arbeitslosen Akademiker, der hat mich kurz vor Weihnachten noch angerufen, erzählte, daß er keinen Job findet, aber auf gar keinen Fall ALG-II-Empfänger werden möchte und nun beim Callcenter arbeitet. Gut, ist natürlich grauenvoll und furchtbar anstrengend, aber er verdient Geld. Und es gibt natürlich auch den umgekehrten Fall. Leute, die immer alimentiert werden wollen, es gar nicht anders kennen. Ich hatte so einen Fall: ein junger Mann, 24 Jahre alt, es ist in der Familie jetzt schon die dritte Generation, die Sozialhilfe bezieht. Der muß sich natürlich bewerben, muß alles machen, er muß eben auch morgens um vier oder halb fünf beim Berliner Großmarkt in der Beusselstraße antreten, weil sie da Leute nehmen.
    So! Und wie habe ich denn mein Studium verdient? Ich bin arbeiten gegangen. Und warum soll das jemandem nicht zumutbar sein? Und damit kommen wir zu dem Problem, das ich habe, wenn ich gar nichts – oder noch nichts – gelernt habe. Junge Leute wollen ja heute gern Designer werden oder Medienberater. Wenn sie selber zahlen, ist das ja erst mal kein Problem, aber wenn sie Staatskohle haben wollen, stellt es ein Problem dar. Da ist erst mal jede Arbeit zumutbar.«
    Wir erwähnen, daß Freunde uns von einer weiteren Verschärfung für ALG-II-Empfänger berichtet haben, dem

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