Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)
ich habe die Ausbildung, wie immer, schön zu Ende gebracht nach drei Jahren, es hat Spaß gemacht. Nun hatte ich meinen Gesellenbrief. Es gab eine schöne Freistellungsfeier, im Kino International, Karl-Marx-Allee, das große Ost-Premierenkino, mit dem tollen Vorhang, der so glitzert. Davor standen wir, ein Haufen Jungs und drei Frauen. Wir bekamen den Gesellenbrief und einen Blumenstrauß, die Jungs haben ihren Brief gekriegt und einen Handschlag.
Ab da mußte ich alles allein machen und können, gut, ich konnte, wenn ich was nicht wußte, Hilfe holen, die habe ich natürlich auch bekommen. Aber man erwartete das einfach, ich hatte ja meinen Gesellenbrief. Ich bekam meine kleinen Baustellen und habe gern, und ich glaube auch gut gearbeitet. Im Kollektiv ist es ja immer so, du machst das Gespräch mit dem Kunden, du machst das Angebot, du machst die Baustelle – und du machst die Abrechnung. Das ist ganz schön viel. Ansonsten war auch der Kontakt mit den Kunden gut, kein Problem, daß da eine Frau kam, wenn ich aber mal mit einem Kollegen erschien, dann wurde grundsätzlich nur mit ihm gesprochen. Ich habe so ein halbes Jahr ungefähr weitergearbeitet, aber wie das bei Kollektiven eben so ist, mal gibt’s Geld, mal gibt’s keins – das ist eben ein Problem, wenn man drauf angewiesen ist, so wie ich. Ich mußte mal wohin, wo ich regelmäßig Geld kriegte. Das war dann der Grund, weshalb ich weg bin von ›Polaris‹.
Während ich auf der Suche war, habe ich mir gedacht, also, ich kann jetzt so viel, Elektrik nun auch noch, da könnte ich doch eigentlich Hausmeisterin sein, das fand ich toll. Zuständig für alles mögliche. Ich wußte, in Holland gab es so was. Dann bin ich aufs Arbeitsamt, aber die sagten, sie haben das nicht. Aber es gab so eine Schulung in Reparaturarbeiten für Hausmeister, die war gefördert vom Arbeitsamt. Es gab fünf Firmen, und ich habe mich für eine entschieden, für NILES, oben in Weißensee.« (Die amerikanische Werkzeugmaschinenfabrik NILES war Lizenzgeber für die 1898 in Berlin gegründete Fabrik gleichen Namens. Sie entstand mitten im Industrialisierungsboom und wurde berühmt für ihre Schleifmaschinen zur Bearbeitung von Präzisionszahnrädern – das Zahnrad war, sozusagen neben dem Proletariat, das Laufwerk des industriellen Fortschritts. NILES, zu DDR-Zeiten »VEB Drehmaschinenbau 7. Oktober«, ging nach der Wende in Konkurs und existiert heute in kleinen Betriebseinheiten weiter, so auch im »NILES Aus- und Weiterbildungszentrum«. Anm. G. G.)
»Also, das war eine Art Qualifizierung, eigentlich eine Maßnahme für arbeitslose Metaller. Für die war es natürlich eine Katastrophe, weil, das waren gestandene Kranschlosser usw., die in Rostock ihr halbes Leben lang Verladekräne gemacht haben, und die sollten sich jetzt auf Kleinkram konzentrieren. Wir hatten vier Wochen Grundschweißkurs gemacht, was für mich toll war, für die eine völlige Verarschung. Wir hatten ein bißchen Holz, Elektro und auch Fräsen. Super! Ich war aber umringt von lauter resignierten Männern, als einzige Frau natürlich. Denen wurde nur noch vor Augen gehalten, wie sie ihre Zeit bis zur Rente rumzukriegen hatten. Mit mir hatten die weiter kein Problem, die haben sich nur gewundert, daß ich so jung war, daß ich so ’ne komische Frisur habe, und auf meiner Arbeitshose ein karierter Flicken drauf war am Hintern.
Und dann mußte ich natürlich ein Praktikum machen und hab’ mich umgeschaut nach Hausmeisterinnen, bei denen ich das machen konnte. Im BKA-Zelt (Berliner-Kabarett-Anstalt. Anm. G. G.) arbeitete eine, dann war da Karin von der taz als Hausmeisterin – später ist sie dann krebskrank geworden –, und dann war hier in der ›Schoko‹ auch noch Helena. Die kannte ich über ›Autofeminista‹, eine lesbische Werkstatt für Frauen, mit Selbsthilfekursen damals, zum Autoschrauben usw. Ja, und dann habe ich hier in der Schoko-Fabrik mein Praktikum gemacht. Helena ist Schwedin und ist dann eines Tages zurückgegangen und hat mich gefragt, ob ich nicht ihren Job weitermachen will. So kam das. Und dann ist es so, daß ich ja immer noch nebenbei meine Haushaltsreparaturkurse mache. Bei ›Raupe & Schmetterling‹, in diesem Frauenzentrum. Das Publikum ist so fünfzig bis siebzig, und die nervt das, für alles einen Service kommen zu lassen, die müssen es vielleicht plötzlich selber können, weil der Mann gestorben ist, der Vater oder der Bruder. Die wollen einfach wissen, wie
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