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Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)

Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)

Titel: Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Goettle
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Nordosten Brandenburgs, gegr. 2001, machen vor allem Jugendarbeit, geben sich gern bürgernah, reihen sich in Hartz-IV-Demos ein usw. Anm. GG.) Zu solchen Anlässen bilden die hiesigen Nazis dann Masse, ziehen pöbelnd durch die Straßen und machen Leute an. Aber das ist eben eher ein unorganisierter Haufen. Viele halten sich auch im Umfeld vom hiesigen Fußballclub auf, oder sie gehen eben in die Diskotheken der Stadt, in denen sie keine Ausländer sehen möchten. Es gibt momentan keine organisierte, politisch agierende Naziszene hier. Das heißt aber nicht, daß von den Leuten keine Gefahr ausgeht. 2003 wurde ein Punk von Nazis hier in seiner Wohnung ermordet, afrikanische Asylbewerber wurden nach dem Diskobesuch krankenhausreif geschlagen, und 2004 wurde ein Mann verschleppt und stundenlang mit unglaublicher Brutalität gefoltert und verletzt.
    Anfang April gab’s hier einen NPD-Stand von außerhalb, die NPD will nämlich jetzt wieder mehr hier aktiv werden. Da haben sich unsere diffusen Nazis versammelt, und wir waren auch da, um zu sehen, wer sich da versammelt. Die sind dann irgendwann auf unsere Leute losgegangen; einer von uns wurde verfolgt, mitten im Zentrum wurde ihm Reizgas ins Gesicht gesprüht, und zwanzig Meter entfernt standen Polizisten, die haben sich aber gescheut, da einzugreifen. So was sieht ja heute vielleicht auch aus wie eine ›normale‹ Auseinandersetzung zwischen Jugendlichen. In den 90ern war’s noch so, daß man am Haarschnitt und an der Kleidung sofort gesehen hat, wer Nazi ist. Die Jungschen heute, denen sieht man es oft nicht mehr an, die tragen keine Bomberjacken und Stiefel, die tragen entweder ganz normale Sachen, oder wie man das am NPD-Stand auch sehen konnte, tragen viele jetzt den ›Autonomen-Style‹. Das geht schon seit einigen Jahren so, daß viele aussehen wie ›schwarze Antifa‹, würd ich mal sagen. Hier in Frankfurt hat sich das noch nicht so durchgesetzt. Aber in Wunsiedel. (Dort findet der jährliche »Rudolph-Hess-Gedenkmarsch« der Alt- und Neonazis aus Deutschland und dem Ausland statt. 2005 erstmals verboten. Anm. G. G.) Die Stadt war ja komplett voll mit Nazis, die konnten sich relativ frei bewegen. Wir standen so an einer Ecke, da kam uns eine Gruppe entgegen, die sah total aus wie Antifa, aber wir haben dann einen erkannt, der hier aus Straußberg ist. Der hat uns auch erkannt, und schon ging’s los. Also, die Polizei checkt das manchmal gar nicht, wer nun wer ist. Aber hier in Frankfurt, da kennt eigentlich jeder jeden.
    Es ist übrigens nicht so, daß wir uns reduzieren auf die Beschäftigung mit den Rechten. Die Leute, die hier Antifa-mäßig aktiv sind, die haben sich auch viel mit Flüchtlingsarbeit beschäftigt, das ist ja klar, hier direkt an der Grenze. Es gab diese Grenzcamps, organisiert von verschiedenen Brandenburger Gruppen, zusammen mit der Initiative ›Kein Mensch ist illegal‹. Da waren wir auch mit eingebunden. Wir haben Demos gemacht vor dem Abschiebeknast und Aktionen auch zusammen mit Flüchtlingen. Oder wir haben demonstriert gegen die Bundeswehrausstellungen. Mit ihren Panzern und Dingern und Zeugs, da haben sie Werbung gemacht. Die Schüler mußten hin während der Schulzeit. Das muß ja nicht sein! Es gab auch den Castor-Transport von Bremen nach Ahaus, glaube ich, voriges Jahr Ende Mai, Anfang Juni. Es gab auch davor mal einen, der ist hier durch Frankfurt gefahren, auf dem Zug, da haben wir auch was gemacht. Es gibt hier eine Umweltgruppe, mit denen zusammen hab’ ich dann zur Strahlengefahr was geschrieben. Als die Nazis dann nicht mehr so aktiv waren, blieb natürlich mehr Zeit für anderes«, sie lacht. »Man muß abwarten, wie sich die Dinge entwickeln, wenn die NPD jetzt hier wieder Fuß faßt.
    Im Moment haben wir aber ein ganz anderes Problem. Seit etwa zwei Jahren gibt es einen verschärften Ermittlungseifer der staatlichen Behörden gegen die Frankfurter Linke. Wir werden mit Repressionen beschäftigt, Leute werden mit zahlreichen Verfahren überzogen. Es herrscht ein kompletter Verfolgungsdrang, man meint irgendwie, unbedingt Täter beibringen zu müssen. Und obwohl die linke Szene ja schon seit so vielen Jahren observiert wird, haben sie nichts verstanden. Auch was mich betrifft. Ich war 2001 mit dem Studium fertig, habe dann noch bis 2003 die praktische Ausbildung gemacht und arbeite seit 2004 als Anwältin hier in einer Kanzlei. In meiner Studienzeit bin ich bei der Polizei in so eine Schublade getan worden, in

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