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Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)

Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)

Titel: Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Goettle
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Arbeit und auch für die Pause haben. Danach geht es dann weiter bis vier Uhr, denn wir sind ja nun Ganztagsschule, aber nur für die Großen. Das geht in Brandenburg momentan nicht anders, aber für die Kleinen bieten wir dafür eine ›verläßliche Halbtagsschule‹, verläßlich bedeutet, es gibt keinen Unterrichtsausfall, man hat jeden Tag von acht bis 13.30 Uhr Schule, danach gehen sie in den Hort nebenan. Und wir vollbringen das Wunder dadurch – wir haben z. B. derzeit vier kranke Lehrer –, daß wir die Schüler aus diesen Klassen verteilen auf andere Klassen, statt uns mit dem oft unlösbaren Problem der Lehrervertretung herumzuschlagen bzw. den Unterricht ausfallen zu lassen. Das funktioniert bei uns sehr gut, denn die Kinder kennen sich untereinander und freuen sich, wenn sie mal sehen, was in anderen Klassen gemacht wird. Wir haben ja jahrgangsgemischte Lerngruppen, also: erste, zweite, dritte Klasse – vier, fünf, sechs – und sieben und acht. Jetzt wollen wir sieben, acht, neun machen. Dadurch verändert sich jede Lerngruppe jedes Jahr, es wächst immer ein Drittel raus, ein Dritte kommt neu hinzu. Dadurch kennen sich die Kinder in der ganzen Schule, und wir haben überhaupt keine Konkurrenz unter den Klassen oder Lehrern.
    Wir haben 38 Lehrer. Fast nur Frauen. Also, diese Schule ist total weiblich geprägt! Es gibt nur zwei Männer. Das ist hier ein spezielles Phänomen. Ich war neulich auf einer Schulräte-Fortbildung, vierzig Brandenburger Schulräte, es wurden dann zu den jeweiligen Schulen Arbeitsgruppen gebildet, freiwillig. Ich habe nur vier Sätze gesagt: meinen Namen und daß ich die Montessori-Schule in Potsdam leite, wir jahrgangsgemischte Lerngruppen haben und keine Zensuren bis zur achten Klasse. Die Männer im Raum sind daraufhin alle wie die Hasen zu den Männern gelaufen. Zu mir kamen ausschließlich Frauen. Die Ost-Männer fühlen sich offenbar nur in autoritären Strukturen sicher. Lediglich entwickelte West-Männer können anscheinend etwas mit so einem System anfangen. Ich war viel im Ausland, mache jedes Jahr pädagogische Reisen, war in Kanada, Finnland, Schweden, in Neuseeland; da gibt es überall viel mehr Männer, in den alten Bundesländern bei uns übrigens auch. Also, damit kein Mißverständnis entsteht, ich habe überhaupt kein arrogantes Verhältnis gegenüber Ostdeutschen. Z. B. ist meine Stellvertreterin eine Ostfrau, und sie ist die beste Arbeitsbeziehung, die ich in meinem ganzen Leben hatte. Phantastisch. Wir sind ja hier überhaupt ein deutsch-deutsches Projekt. Allerdings sind vom ursprünglichen Kollegium nur noch sechs da, alle anderen sind neu gekommen, wieder gegangen, wieder neu gekommen. Meine wesentliche Aufgabe ist Personalentwicklung, neben dem Unterricht, den ich auch mache, und allem anderen. Und es gibt eben immer auch mal jemanden, der hier nicht herpaßt. Das dem Betreffenden zu sagen, ist meine Aufgabe. Der größte Fehler von Leuten, die hier nicht herpassen, ist die Respektlosigkeit gegenüber den Kindern, d. h. autoritäre und beschämende, die Würde verletzende Verhaltensweisen. Das dulden wir nicht. Alles andere kann man lernen, aber das können eben manche nicht lernen, und dann müssen sie gehen. Wir haben ganz wenig Konfrontation hier – Sie haben ja vorhin beim Rundgang gehört, daß keiner sich schreiend Gehör verschaffen muß. Das kultivierte Klima gehört eben auch zu einer guten Lernumgebung, ist auch Voraussetzung für soziales Lernen, was ja ein Herzstück unseres Schulkonzeptes ist, es ist überhaupt die Basis. Die Kinder reagieren da sehr sensibel. Im Lauf der Jahre hat sich hier an der Schule eine eigene Lern- und Lebenskultur entwickelt.
    Es gab ja sechs Jahre lang einen Schulversuch, und innerhalb dieses Versuchs durften wir diese ganzen Sachen machen, altersgemischt arbeiten, ohne Zensuren, mit individuell passendem Lernangebot usw., das darf man ja sonst vom Gesetz her gar nicht. Und wir dürfen damit jetzt weitermachen, weil der Schulversuch erfolgreich abgeschlossen ist – er wurde ja wissenschaftlich begleitet. Und jetzt steht draußen dran: ›Schule mit besonderer Prägung‹. Das ist für uns sehr erfreulich. Wir liegen in allen Bereichen leicht über dem Landesdurchschnitt. Da sind natürlich nur die Fachleistungen erfaßt, die anderen Kenntnisse und Kompetenzen der Kinder werden ja gar nicht geprüft, leider, denn da sind unsere Kinder exzellent! Wir haben auch einen ersten Preis bekommen für

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