Der Augenjäger / Psychothriller
Gartenarbeit verwendet.
»Verzeihen Sie meine Wortwahl, aber ich finde, es braucht ein hässliches Wort für diese hässliche Tat, finden Sie nicht? Vergewaltigen klingt viel zu sanft dafür, dass Marén in Wahrheit zu Tode gefickt wurde.«
»Welches Wort passt denn auf Ihre Perversitäten?«, fragte ich.
Suker seufzte wie ein Mann, der sich zutiefst missverstanden fühlt. »Wiedergutmachung«, sagte er. »Schuldausgleich. Sühne.«
»Also haben Sie sich damals am Hausmeister gerächt?«
»Oh nein. An der Pfarrerin.«
Trotz der unsichtbaren Schraubzwinge, mit der die Schmerzen meinen Kopf gefangen hielten, gelang es mir, erstaunt die Augenbrauen zu heben.
»Marén war nicht sein erstes Opfer«, erklärte Suker. »Klaas hatte vorher schon gemordet. Tausende Male. Nicht in der Realität, aber in seiner Phantasie. Es kam heraus, dass er der Pfarrerin bereits ein halbes Jahr zuvor einen Brief geschrieben hatte, in dem er ihr seine sexuellen Wünsche gestand, bei denen Gummipuppen, Metalldildos, eine Gasmaske, mehrere Schamlippengewichte und Frauen mit einem Beißball im Mund eine zentrale Rolle gespielt hatten.«
Suker war beim Sprechen um meinen Rollstuhl herumgegangen. In den Spiegeln konnte ich erkennen, dass er sich hinter mir an den Schlaufen zu schaffen machte, mit denen meine Hände auf den Armlehnen gefesselt waren.
»Aber die Pfarrerin hat niemandem davon erzählt«, flüsterte er mir ins Ohr. »Es war ihr peinlich. Niemand sollte denken, in ihrer Kirche wären sexuell gestörte Mitarbeiter tätig. Sie beantragte seine Versetzung, wollte das Problem nicht lösen, sondern abschieben.«
Zu meiner Verblüffung konnte ich plötzlich meine rechte Hand wieder bewegen. Suker hatte die Fessel gelöst.
»Sie haben doch gewiss die Kirchenskandale der letzten Jahre verfolgt.« Suker stand nun wieder direkt vor mir. »Haben Sie von der Berliner Eliteschule gelesen, in der Hunderte von Kindern belästigt und sogar vergewaltigt wurden? Die meisten haben geschwiegen. So lange, dass die Taten ihrer Lehrer heute verjährt sind.«
Langsam dämmerte mir, worauf er hinauswollte. »All die Frauen, die von Ihnen verschleppt wurden, sind zuvor schon einmal vergewaltigt worden?«
Suker schüttelte den Kopf. »Falsch. Alle Frauen wurden belästigt. Aber sie haben sich entschieden zu schweigen und den Vorfall unter den Tisch zu kehren.«
»Sie waren Opfer«, protestierte ich.
»Nein. Sie waren Täter. Diese feigen Schlampen haben nur an sich gedacht und dadurch unendliches Leid über die späteren Opfer gebracht.«
Ein Schatten lief über sein Gesicht, und er wandte sich ab. Sein Blick verlor sich in seinen eigenen Spiegelbildern. Auf einmal wirkte er abwesend. Er sprach nicht mehr mit mir, sondern nur noch zu sich selbst.
»Jeder, der mal einen Thriller gelesen hat, weiß doch, dass Psychopathen verschiedene Stadien durchlaufen. Vom bloßen Wunsch über erste zaghafte Versuche bis hin zur grausamen Tat.«
Ja, und du stehst auf der letzten Stufe des Wahnsinns,
dachte ich. Zögernd streckte ich die Hand nach der Plastiktüte aus.
»Als der Hausmeister die Pfarrerin belästigte, hätte sie die Entwicklung noch aufhalten können. Aber sie schwieg, und diese Unterlassung war das Todesurteil für meine zukünftige Frau. Hätte die Pfarrerin die Belästigungen angezeigt, wäre Marén noch am Leben.«
Falsch. Es fühlt sich falsch an,
war der erste Gedanke, als ich den Gegenstand in der Tüte berührte. Ich zog ihn heraus, langsam und in ständiger Erwartung, die nächste Falle würde zuschlagen.
»Der Mörder wird irgendwann gefasst und vor Gericht gestellt. Aber was ist mit den unzähligen Mittätern, die sich zuvor der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht haben?«, fragte Suker. »Wie Mütter, die ihren Töchtern nicht glauben wollen, dass Papa nachts zudringlich wird. Das ist gar nicht so selten, wie man denkt. Meine ehemalige Assistentin zum Beispiel hatte ihre Mutter angefleht, sie vor dem eigenen Vater zu beschützen, aber die wollte ihren Ehemann nicht verlieren.«
Iris,
schoss es mir durch den Kopf.
Deswegen also hatte sie Suker bei seinen Taten geholfen.
»Diese Mutter hat sich ebenso schuldig gemacht wie der erste Schüler, der vor Jahrzehnten auf dem Internat von seinem Lehrer belästigt wurde und der nicht zur Polizei gegangen ist. Denn hätte er das getan, wären Hunderte von Kindern nach ihm
nicht
vergewaltigt worden. Ich bin kein Psychopath, Herr Zorbach. Ich bin nicht böse. Ich stelle nur
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