Der Augenjäger / Psychothriller
ich werde dich töten.«
Frank lachte aufgekratzt. Überhaupt wirkte er wie auf Drogen.
»Warum bist du immer so wütend auf mich, wo ich von uns der Einzige bin, der sich an die Abmachungen hält? Wer von uns beiden hat denn gelogen und mir seinen Tod vorgespielt?«
Zum Teil nuschelte er die Worte schnell herunter, dann machte er wieder große Pausen zwischen den Sätzen, in denen er nachzudenken schien, was er als Nächstes sagen wollte. Mittlerweile meinte ich ihm seinen psychischen Verfall anzuhören.
»Verdammt, du hast sogar dein eigenes Begräbnis organisieren lassen. Ja, dachtest du denn, ich bin blöd? Ich hab schon vorher geschnallt, was los war. Den leeren Sarg zu öffnen war nur noch eine Bestätigung.«
»Wo bist du?«, fragte ich und starrte zur Tür, die, wie ich jetzt merkte, nie verschlossen gewesen, sondern nur durch den umgestürzten Schrank verkeilt gewesen war. Hatte ich wirklich die Kraft aufgebracht, ihn ganz allein, nur mit dem Einsatz meines Körpergewichts, zur Seite zu wuchten?
Oder,
schoss mir ein furchterregender Gedanke durch den Kopf,
hatte jemand nachgeholfen und mich auf das Bett gelegt, während ich bewusstlos gewesen war?
»In welchem Loch hast du dich verkrochen?«, wiederholte ich meine Frage. »Versteck dich nicht länger hinter deinem Telefon. Ich will dich sehen.« Das Wasserrauschen schien noch lauter geworden zu sein und dauerte für eine meiner akustischen Fehldeutungen nun schon ziemlich lange an.
»Eins nach dem anderen«, lachte Frank. »Erst mal ist hier jemand, der mit dir sprechen will.«
Die Leitung flatterte, als würde jeden Moment die Verbindung abreißen, dann hörte ich einen Mann husten.
»Sie müssen schon in den Hörer sprechen, sonst kann er Sie nicht verstehen«, sagte Frank in einem Tonfall, den man sonst nur gegenüber begriffsstutzigen Kleinkindern anschlägt. Der Husten ging in ein schweres Atmen über, erst nach einer quälend langen Weile hörte ich das erste Wort der Person, an die Frank übergeben hatte.
»Falle …«
Ich schloss die Augen.
Verdammt, das darf nicht sein.
»Es tut mir leid, Zorbach. Er hat uns in die Falle gelockt.«
»Scholle, wo bist du?«, fragte ich, doch Frank hatte ihm bereits wieder den Hörer entrissen.
»Ach, wie es mich freut, dass wir alle endlich wieder im Spiel sind.«
»Das hier ist kein Spiel, du Wichser.« Ich kletterte über das Bett näher zur Tür.
»Oh doch, das ist es. Und ich finde es erstaunlich, wie schnell wir alle gemeinsam aufs Feld zurückgefunden haben. Du, ich, Scholle, und diesmal sogar ohne die lästige Alina, die immer alles besser weiß.«
»Du irrst dich, Frank. Das Spiel ist aus. Du hast mir bereits alles genommen, was mir lieb war.«
Jetzt gab es keinen Zweifel mehr. Das Rauschen war nicht in meinen Ohren, sondern drang vom Flur aus in mein Zimmer. Ich machte den Fehler, das rechte Bein zu belasten, als ich vom Bett steigen wollte, und knickte ein.
»Du kannst mich zu nichts mehr zwingen, Frank.«
»Oh, das sehe ich aber anders. Ich weiß ja, wie schwer dir das Gehen momentan fällt, aber würdest du bitte mal ins Badezimmer kommen?«
Ich hatte mich gerade mit einem von Julians Hockeyschlägern, den ich unter dem Bett hervorgeangelt hatte, wieder aufgerappelt, doch jetzt versetzten mich Franks Worte in eine Art Schockstarre.
Ins Badezimmer?
»Woher zum Teufel weißt du, wo im Haus ich mich gerade aufhalte?«
Pause. Dann, nach einer Weile, sagte er tonlos: »Weiß ich nicht, Zorbach. Aber ich weiß, wo du
nicht
bist. Im Badezimmer läuft gerade die Wanne über, und da ich es nicht rauschen höre, musst du woanders sein.«
Dann lachte er wieder, erneut eine Spur hysterischer als zuvor. »Ach Mann, Zorbach. Immer noch der Profi, der alles hinterfragt. Der Mann, der erkennt, wenn er einen großen Fisch an der Angel hat, und die Kleinen laufenlässt, richtig?«
»Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst«, sagte ich, bemüht, mein Gleichgewicht auf dem Hockeyschläger zu halten, mit dessen Hilfe ich mich schon fast wieder bis zur Tür vorangetastet hatte.
»Ich will, dass du endlich zu diesem Scheißbadezimmer kommst«, brüllte Frank. Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, schien er die Fassung zu verlieren, und ich wusste nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. In jedem Fall stand er gehörig unter Stress. Und während mir das Adrenalin dabei half, klarer zu denken (und sogar ganze Sätze zu formulieren), schien es den Mörder meiner Frau immer mehr zu
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