Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ausloeser

Der Ausloeser

Titel: Der Ausloeser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
Vom Netzwerk:
diesen Flaschen befindet sich ein Bestandteil von Sarin, und zwar der gefährliche Teil. Johnny hat es gekauft, um es an Victor weiterzuverkaufen. Daher das viele Geld.«
    »Aber Johnny ist doch ein kleiner Fisch. Wie soll der da rangekommen …«
    »Keine Ahnung. Vielleicht über den Typen, den du abgeknallt hast, vielleicht war Johnny bloß der Mittelsmann, was weiß ich. Auf jeden Fall haben wir den Deal verhindert, und das kann sich Victor natürlich nicht gefallen lassen. Drogen sind das eine, aber stellt euch doch mal vor, was gewisse Leute im Irak oder in Afghanistan für so eine Menge DF bezahlen würden.«
    Schwarze Punkte flimmerten vor Jenns Augen. Mittlerweile erstickte sie fast vor Lachen, doch die Jungs redeten einfach weiter. Kapierten die denn gar nicht, wie lustig das alles war? Dass es   völliger Wahnsinn   war?
    »Wir können ihm das Zeug nicht geben«, sagte Ian.
    Mitch stand auf und fasste sie am Arm. »Jenn?«
    Sie ächzte und schnappte nach Luft. »Kapiert ihr denn …«
    »Bitte, reiß dich zusammen.«
    »Ich … Ich … Leute, ich arbeite im Reisebüro!«
    Als sie sich vorbeugte und auf die Knie stützte, spürte sie Mitchs sanfte Hände auf den Schultern. »Komm schon. Beruhig dich.«
    »Wir sitzen in der Scheiße. Wir sitzen so was von in der Scheiße«, murmelte Ian, die Hände auf den Wangen wie der kleine Kevin auf dem Filmplakat. Ein irrsinnig komischer Anblick.
    »Jenn. Beruhig dich.«
    Sie schloss die Augen und ballte die Fäuste, bis sich die Fingernägel tief in die Handflächen gruben. Der Schmerz holte sie zurück in die Realität, doch kaum hatte sie sich halbwegs beruhigt, fiel ihr etwas auf. »Du«, sagte sie und musste sich beherrschen, nicht gleich wieder loszuprusten. »Du hast echt ein beschissenes Timing, Mitch.«
    »Was?«
    » Jetzt   hättest du mir eine runterhauen sollen. Nicht vorhin.«
    Natürlich hatte sie es nicht ernst gemeint, aber außer ihr lachte niemand. Sie spürte die Blicke der beiden Jungs, sah sich selbst in ihren Augen. Endlich ebbte das Lachen ab; das letzte, erstickte Kichern klang eher nach einem wimmernden Baby. Lächerlich. Entschlossen richtete sie sich auf und wischte sich die Tränen aus den Augen.
    »Das ist eine ernste Angelegenheit«, meinte Ian in nüchternem Tonfall.
    »Ich weiß.« Sie atmete tief durch. »Ich weiß. Aber das … das kann einfach nicht sein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil … Weil es einfach nicht sein kann.«
    »Tut mir leid, es ist aber so. Und wenn ihr mir endlich mal zuhören würdet, könnte ich euch auch erklären, wie wir darauf gekommen sind.«
    Wenigstens musste Jenn nicht mehr lachen, doch die Hysterie war geblieben, eine zischende Schlange in ihrem Inneren, die hartnäckig nach einem Ausweg suchte. Sie atmete noch einmal durch. »Okay. Ich hör dir zu.«
    Ians Worte wirkten wie eine eiskalte Dusche. Er erzählte, wie er sich mit einem Freund getroffen hatte, der ihm schon einmal behilflich gewesen war, und ihm das Zeug beschrieben hatte – und wie dieser sämtliche Möglichkeiten durchgespielt und alle Faktoren berücksichtigt hatte: das Material der Flaschen, ihren finanziellen Wert, die Symptome, die die Substanz bei Mitch und ihr hervorgerufen hatte. Seine These war Ergebnis einer kalten, teuflischen Logik. Aber im Grunde, dachte Jenn, sollte sie nicht allzu überrascht sein. Tief in ihrem Inneren hatte sie von Anfang an gewusst, dass es sich nicht um simple Drogen handeln konnte. Sie hatte keine Ahnung gehabt, was es war, aber es musste wertvoller, gefährlicher sein als Kokain oder Heroin. Nur hatte sie es bisher nicht wahrhaben wollen.
    Eigentlich wollte sie es immer noch nicht wahrhaben. »Und wenn er sich irrt?«
    Stille. Mitch räusperte sich. »Und wenn er sich nicht irrt?«
    »Wisst ihr, wie das Zeug wirkt?« Ian blickte ihr in die Augen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er noch schlechter aussah als am Morgen. »Alle Muskeln ziehen sich maximal zusammen, bis man sich einen Knochen nach dem anderen bricht. Angefangen von den Armen bis hin zur Wirbelsäule. Aber daran stirbt man nicht, nein, meistens erstickt man, wenn schließlich die Lunge aussetzt – natürlich erst, nachdem man miterlebt hat, wie sich der eigene Körper in Stücke reißt. Und dafür reicht ein einziger Tropfen, hat mein Kumpel gesagt. Ein einziger Tropfen auf die nackte Haut.«
    Ein einziger Tropfen. Sie hatten eine ganze Gallone davon.
    Es wurde still, eine Stille, wie Jenn sie noch nie erlebt hatte. Ihre Gedanken und Ängste

Weitere Kostenlose Bücher