Der Ausloeser
durchs Haar und küsste sie auf die Lippen.
Im ersten Augenblick war sie so überrascht, dass sie überhaupt nicht reagierte. Tausend Gedanken flackerten und tanzten durch ihren Kopf, lauter Gebote und Verbote, vermischt mit Sorgen, Erregung, Angst und dem Adrenalin, das von ihrem Abenteuer geblieben war, dem pulsierenden Gefühl, jetzt, genau jetzt, in diesem Moment zu leben, ein Gefühl, das nicht nur aufregend war, sondern auch voller Schmerz, voller Angst, und deshalb, dachte sie, wäre es doch gar nicht schlecht, sich ein bisschen abzulenken, ja, vielleicht brauchte sie jetzt einfach ein bisschen Ablenkung – bevor ihr der simpelste Gedanke der Welt in den Sinn kam, ein alter, vertrauter Gedanke: Ein Junge, den du magst, küsst dich. Also küss zurück.
Und das tat sie auch.
Zuerst stellte sich ein kurzer Moment der Unbeholfenheit, des Unbehagens ein – wie bei jedem ersten Kuss, nur dass es sich diesmal noch intensiver anfühlte als sonst – doch dann berührten sich ihre Zungen, ganz vorsichtig, ganz sanft, dann spürte sie seine Finger in ihrem Haar, ein gutes Gefühl, ein unglaublich gutes Gefühl, nur für den Moment zu leben, nichts weiter wahrzunehmen als die Gegenwart. Ihre Hände glitten über seine Seiten, über seinen Rücken, tasteten seinen Körper unter der Kleidung ab, und plötzlich pressten sie sich aneinander, plötzlich grub sich seine Gürtelschnalle in ihren Magen, und seine Hand wanderte nach unten, von ihrem Kopf über ihren Nacken und weiter hinab, eine leichte, kaum spürbare Berührung, die knapp über ihrem Hinterteil innehielt, als würde er zögern, als wollte er um Erlaubnis fragen.
Jenn wich ein paar Zentimeter zurück, ihre Lippen lösten sich voneinander. Ihr war schwindlig, sie brauchte eine kurze Pause. Was tat sie hier eigentlich? War das eine gute Idee, ausgerechnet jetzt? Da erinnerte sie sich an die Frau, die ihr heute Nachmittag aus dem Spiegel entgegengeblickt hatte, die Frau, die sich vor nichts fürchtete, die sich alles nehmen würde, was die Welt zu bieten hatte. Ein unglaubliches Gefühl der Freiheit, und so viel besser als die alte, alltägliche Jennifer.
Ihre Finger glitten zu seiner Hand. Dann blickte sie ihm fest in die Augen, während sie seine Hand langsam weiter nach unten auf ihren Arsch schob.
Mit einem leisen Stöhnen packte er ihre Arschbacken und grub seine Finger in ihr Fleisch. Jetzt gab es kein Halten mehr, jetzt fielen sie übereinander her wie zwei ausgehungerte Tiere. Kurz blitzte ein Gedanke in ihr auf – hey, der kann ja echt gut küssen –, und tatsächlich waren seine Küsse zugleich sanft und fest, während seine Bartstoppeln über ihre Oberlippe kratzten, während er einen Schritt nach vorne machte, in sie hinein, während sie sich von ihm nach hinten drücken ließ, ohne seine Lippen loszulassen, und so stolperten sie zurück, eng aneinandergeschmiegt wie zwei Tänzer, und krachten gegen den Kühlschrank.
Seine Hände tasteten nach den Trägern ihres Kleids und strichen sie von den Schultern. Als es über ihre Brüste rutschte, wurden ihre Brustwarzen in der kalten Luft sofort hart. An ihren Hüften blieb der Stoff eine atemlose Sekunde lang hängen, bevor er endlich auf den Boden fiel. Ein berauschendes, verblüffendes Gefühl, auf einmal nackt vor ihrem Kühlschrank zu stehen, mit diesem Typen, einem Freund, aber eigentlich einem Fremden, der sich immer fester an sie presste.
Bis er seine Lippen ganz langsam von den ihren gleiten ließ und einen vorsichtigen Schritt zurückwich. Und sie von Kopf bis Fuß und wieder zurück musterte, ihren Anblick aufsog. »Mein Gott, bist du schön«, sagte er. »Du bist so schön.«
Er beugte sich vor, und sie hob den Mund, hob die Lippen, um ihn zu küssen, doch seine Lippen wanderten tiefer hinab. Sie spürte seinen warmen Atem am Hals, sie spürte seine Zunge auf der Haut. Er küsste ihre Halsbeuge, er küsste sie zwischen den Brüsten, er leckte ihr über den Bauch, und tiefer hinab, immer tiefer, bis er vor ihr kniete, auf den kalten Fliesen. Als würde er eine Gottheit anbeten, dachte sie noch, als seine Zunge weiter nach unten wanderte, und von da an dachte sie überhaupt nicht mehr.
15
»ICH SAG’S EUCH, SOLCHE MENSCHEN VERSTEHEN NUR EINE SPRACHE, UND DAS IST DIE SPRACHE DER GEWALT. Das mag vielleicht nicht ganz die feine Art sein, aber mein Gott, ich kann es auch nicht ändern. Iran, Irak, Al-Qaida, das ist alles derselbe Verein. Die steinigen ihre eigenen Leute zu Tode!
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