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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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bevor die Familie endgültig den Kontakt zu ihr verloren hatte, mehrmals auf ähnliche Weise versetzt.
    Von seinem Vater angetrieben, hatte er sich in den ersten Jahren nach jedem ihrer Umzüge – die stets erfolgten, wenn ihr nichtsnutziger Ehemann wieder einmal in den Knast musste – von neuem an ihre Fersen geheftet und Treffen mit ihr verabredet, zu denen sie nie erschienen war. Schließlich war es ihm zu dumm geworden, und er hatte seinem Vater geraten, sie eine Weile schmoren zu lassen. Sie wird euch schon anrufen, wenn sie so weit ist, hatte er zuversichtlich gesagt. Aber er hatte sich getäuscht.
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    Der Kontakt zu ihr war abgebrochen, und sie hatten über zwanzig Jahre lang nichts mehr von ihr gehört.
    Seine Eltern machten ihm keine Vorwürfe. Im Gegenteil, manchmal hatte er den Eindruck, sie seien insgeheim erleichtert, sie los zu sein. Sein Vater sagte, er habe es nicht anders erwartet, und seine Mutter sagte, Billy habe ja alles versucht, und dann hatten beide sich nach bewährtem Muster – und als wären nicht inzwischen Jahre ins Land gegangen – wieder auf Cill Trevelyan eingeschossen. Seit dem Tag, an dem das »kleine Flittchen« durchgebrannt war, sei Louise für immer verändert gewesen. Hätten sie geahnt, was für einen Einfluss das schreckliche Mädchen auf ihre naive kleine Lou hatte, sie hätten diese Freundschaft von Anfang an unterbunden.
    Trotzdem hatte Billy sich immer schuldig gefühlt.
    Hin und wieder – meist wenn seine Frau ihn unter Druck setzte – fragte er sich, warum seine Eltern nicht selbst die Suche nach ihrer verlorenen Tochter in die Hand genommen hatten, aber das vermoch-te kaum, ihn zu entlasten. Louises Abrutschen in Prostitution und Heroinabhängigkeit war so unerklärlich gewesen, dass bei ihren seltenen Besuchen zu Hause auf die erste Freude der Eltern über das Wiedersehen unweigerlich ein Riesenkrach zu folgen pflegte. Am Ende war Kommunikation nur noch über Billy möglich gewesen, der den rapiden 385

    Abstieg seiner Schwester von der braven Ehefrau zur Nutte ebenso wenig verstand. Eines allerdings hatte er seinen Eltern nie mitgeteilt – dass unter den diversen Decknamen, die sie sich zugelegt hatte, auch der Name Cill war.
    Ihre Mutter war überzeugt, dass sie in Australien gestorben war, entweder am Drogenmissbrauch oder an Aids, und stellte endlose Mutmaßungen über Kinder an. Hatte sie Kinder hinterlassen?
    Wenn ja, wo hielten sie sich auf? Wer kümmerte sich um sie? Die Stadträtin Gardener glaubte, sie hätte noch als Teenager ein Kind von Roy Trent zur Welt gebracht, und wenn Billy auch wusste, dass das nicht zutraf, war er doch bezüglich einer Ehe weniger sicher. Sie hatte ja Namen und Adressen gewechselt wie die Hemden.
    Er schaute noch einmal auf die Uhr und überlegte, ob er nach Sandbanks zurückfahren sollte.
    Lou hatte nicht geleugnet, dass sie immer noch im Gewerbe war, aber ihre Bemerkung über »das nächste Veilchen« ließ darauf schließen, dass Fletcher sie geschlagen hatte. Was war das für ein Zuhälter, der in einem Haus auf der Millionärs-meile lebte und seine Frau auf den Strich schickte?
    Er zündete sich noch eine Zigarette an und nahm sich vor zu gehen, wenn er sie fertig geraucht hatte.
    Er verstand heute so wenig wie damals, was Lou für ein Leben führte, aber er würde ihr noch einmal fünf Minuten geben …
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    »Es war wie in Rat mal, wer zum Essen kommt , bloß ohne Happy End«, sagte Jonathan. »Erst nachdem wir ein ganzes Jahr zusammengelebt hatten, war Emma bereit, mich mit ihren Eltern bekannt zu machen – sie meinte, wir müssten erst einmal sicher sein, dass wir heiraten wollen.« Er lächelte gequält. »Wir haben sie also am Heiligen Abend zu uns eingeladen, um ihnen unseren Entschluss mitzuteilen – und es war furchtbar! Sie hatte mich zwar vorher gewarnt, dass ihr Vater nicht erfreut sein würde, aber sie hatte mich nicht darauf vorbereitet, dass er mich als ›dreckigen Nigger‹ beschimpfen und dann auf sie losgehen würde. Ich rannte aus dem Zimmer, als er sie ohrfeigte – und sie ist am ersten Weihnachtsfeiertag ausgezogen.
    Seitdem hat sie kein Wort mehr mit mir gesprochen.«
    »Was haben Sie gemacht, als Sie aus dem Zimmer rannten?«
    »Ich habe mich in der Toilette versteckt.«
    »Und was hat Emma dazu gesagt?«
    »Dass ich ein Feigling bin, und sie sich für mich geschämt hat – nichts, was ich nicht verdient hätte.
    Sie wollte einen Mann, der ihrem Vater Paroli bietet, und das kann ich

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