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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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erfuhr Sasha Spencer, was er wirklich glaubte, und sie nahm sich vor, nie wieder voreilig über fürsorgliche Ehefrauen zu urteilen. Rachel wartete, bis ihr Mann die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann beugte sie sich vor und begann, in eindringli-chem Ton zu sprechen.
    »Er wird Ihnen das nicht sagen, weil er sich gern einreden möchte, dass es nur seine Einbildung ist.
    Er surft schon seit einiger Zeit im Internet, um sich über das so genannte recovered memory syndrome , das Syndrom der wiedergewonnenen Erinnerungen, zu informieren. Auf der einen Hälfte der Webseiten wird behauptet, es handle sich um ein anerkanntes psychisches Phänomen, die anderen vertreten die Auffassung, dass die Erinnerungen erfunden 552

    sind – und mein Mann weiß nicht, was bei ihm zutrifft. Ich habe ihm immer wieder gesagt, dass die falschen Erinnerungen das Ergebnis von schlechten Therapien sind, aber das will er mir nicht glauben.
    Er ist völlig fertig, weil er nicht mehr schlafen kann und Angst hat, dass er eine Abneigung gegen seinen Vater entwickelt hat, nur weil der ihm ständig wegen der Streiks bei der Feuerwehr Vorhaltungen macht …«
    George schloss die Augen und hob ihr Gesicht der Sonne entgegen, während Jonathan ihr Andrews Theorie erläuterte. »Er hat es mir genau auseinander gesetzt«, sagte er und nahm sich ein neues Blatt seines Protokolls vor. »Cill ist an dem besagten Freitagabend zu Grace geflüchtet. Louise hat sie am Samstagmorgen dort gesehen. Sie hat es ihren Eltern erzählt – wahrscheinlich am selben Nachmittag …«
    »Ich dachte, sie hätte es ihnen am Mittwoch erzählt«, warf George ein.
    Jonathan legte einen Finger auf die Zeile, bei der er gerade angelangt war, und hob den Kopf.
    »Andrew sagt, dass sie keinen bestimmten Tag genannt hat, nur durchblicken ließ, dass es der Mittwoch gewesen sei. Er hält es aber für wahrscheinlicher, dass sie nach der polizeilichen Vernehmung mit der Sprache herausrückte, weil ihre Mutter mit solchem Nachdruck behauptet hatte, 553

    ihre Familie hätte keine Ahnung, wo Cill sich aufhalte.«
    »Okay. Nächster Punkt.«
    Er sah wieder zum Blatt hinunter. »Einer der Burtons, Vater oder Mutter, ging zu Grace, putzte Cill kräftig herunter und riet ihr, schleunigst nach Hause zu gehen; drohte außerdem Grace damit, dass sie in Teufels Küche käme, wenn sie Schulschwänzerinnen und Ausreißerinnen Unterschlupf gewährte. Er bekam es mit der Angst, als Cill verschwunden blieb; kriegte einen Riesen-schrecken, als Louise erzählte, wie sie Grace’ Haus am Dienstag oder Mittwoch vorgefunden hatte; und geriet vollends in Panik, als Grace tot aufge-funden wurde. Resultat: Louise wurde nicht mehr zur Schule geschickt, damit sie nichts erzählen konnte. Im Haus Burton wurde die Geschichte totgeschwiegen, und man versuchte mit allen Mitteln, sich von der Mullin Street und der Familie Trevelyan zu distanzieren.«
    »Und was ist Cill nun seiner Meinung nach zugestoßen?«
    »Da muss ich passen.«
    »Wer hat Grace getötet?«
    »Keine Ahnung.«
    George schirmte ihre Augen gegen die Sonne ab und sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
    »Sie müssen doch schon am Montag gewusst haben, dass Cill nicht nach Hause gekommen war«, 554

    sagte sie. »Wieso hatten sie da keine Angst, dass Louise in der Schule die Katze aus dem Sack lassen würde?«
    »Sie befahlen ihr, auf keinen Fall etwas zu sagen.«
    Sie war erheitert. »Und Louise hat immer brav getan, was sie gesagt haben? Sie haben wohl vergessen, dass ihre Eltern sie nicht einmal am Schuleschwänzen hindern konnten.«
    »Sie drohten ihr mit der Polizei. Der Bruder sagte, sie habe Angst vor ihnen gehabt.«
    George schüttelte den Kopf. »So etwas Unaus-gegorenes habe ich noch nie gehört. Es gibt nur eine Erklärung dafür, warum sie erst ab Mittwoch das Haus nicht mehr verlassen durfte: Sie hat erst nach der Entdeckung des blutverschmierten Fensters ihren Eltern gesagt, dass sie Cill in Grace’
    Haus beobachtet hatte.«
    Jonathan kratzte sich nachdenklich am Kopf.
    »Möglich«, meinte er bedächtig.
    »Was gibt es sonst für eine Erklärung?«
    »Die Eltern fürchteten, es würde jemand bei ihnen aufkreuzen und Fragen stellen, wenn Louise am Montag in der Schule fehlte … sie drohten ihr mit Prügeln, falls sie nicht den Mund halten würde …
    sie hielten ihr vor, alles sei ihre Schuld, weil sie der Polizei nicht gesagt hatte, wo Cill zu finden war … sie war eine geübte Lügnerin und Geheimniskrämerin, deshalb

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