Der Azteke
wie sie mit ihren Tipili-Teilen spielte und sich dazu einer kleinen hölzernen Spindel bediente.
Ihr murmelt halblaut vor Euch hin, Euer Exzellenz, und rafft die Falten Eurer Soutane geradezu schützend zusammen. Habe ich Euch mit meinem freimütigen Bericht dessen, was geschah, vielleicht verletzt? Ich habe mich sehr wohl bemüht, keine unflätigen Ausdrücke zu benutzen.
Und da es in unser beider Sprachen eine Fülle unflätiger Ausdrücke gibt, muß ich annehmen, daß die Akte, die sie beschreiben, bei den Menschen unserer beider Völker nichts Ungewöhnliches sind.
Um Tzitzitlínis Vergehen gegen ihren eigenen Körper zu bestrafen, packte unsere Tene sie, ergriff das Gefäß mit dem Chili-Pulver und rieb die freiliegenden, zarten Tipili-Teile wütend mit dem scharfen, brennenden Gewürz ein. Obwohl sie die Schreie ihrer Tochter mit dem Bettzeug zu ersticken versuchte, hörte ich sie, kam herbeigelaufen und fragte atemlos: »Soll ich den Arzt holen?«
»Nein! Keinen Arzt!« fuhr meine Mutter mich an. »Was deine Schwester getan hat, ist zu schändlich, als daß es außerhalb dieser vier Wände bekannt werden dürfte.«
Tzitzi unterdrückte ihr Schluchzen und schloß sich der Bitte unserer Mutter an: »Es tut nicht besonders weh, kleiner Bruder. Hol keinen Arzt. Sag keinem Menschen etwas davon, auch Tete nicht. Versuch, so zu tun, als ob du nichts wüßtest. Ich bitte dich inständig.«
Über meine tyrannische Mutter hätte ich mich vielleicht hinweggesetzt, doch nicht über die flehentlichen Bitten meiner geliebten Schwester. Wenngleich ich nicht wußte, aus welchem Grunde sie jede Hilfe abgelehnt hatte, respektierte ich das und schlich mich davon, machte mir in aller Stille Sorgen und zerbrach mir den Kopf darüber, was eigentlich geschehen sei.
Hätte ich doch nur nicht auf sie beide gehört und doch etwas unternommen! Nach dem, was später geschah, nehme ich an, daß die Grausamkeit, die meine Mutter bei dieser Gelegenheit bewiesen hatte und die eigentlich hatte dazu dienen sollen, Tzitzis erwachendes sexuelles Verlangen zu unterdrücken, genau das Gegenteil bewirkte. Ich glaube, von da an prickelten die Tipili-Teile meiner Schwester wie ein chiliversengter Rachen, brannten und dürsteten danach, befriedigt zu werden. Ich meine, es hätten noch viele Jahre vergehen können, ehe meine geliebte Tzitzitlíni »rittlings auf die Straße ging«, wie wir von einer verworfenen und wahllos sich Männern an den Hals werfenden Frau sagen. Tiefer konnte eine Mexícatl-Frau nicht sinken – zumindest glaubte ich das, bis ich von dem noch weit schlimmeren Schicksal erfuhr, das meiner Schwester schließlich zuteil wurde.
Wie sie sich später verhielt, was aus ihr wurde und wie sie zuletzt genannt wurde, werde ich an passender Stelle berichten. Hier möchte ich nur eines sagen. Ich möchte ausdrücklich erklären, daß sie für mich immer Tzitzitlíni war und immer bleiben wird – »Glöckchengeläut«.
IHS
S.C.C.M.
SEINER ALLERKATHOLISCHSTEN MAJESTÄT , KAISER KARL V., UNSEREM ALLERDURCHLAUCHTIGSTEN KÖNIG UND HERRN :
Möge das klare und wohltätige Licht Unseres Herrn Jesus Christus ewig leuchten über Eurer Majestät Don Carlos, von Gottes Gnaden Kaiser &c, &c.
Allerdurchlauchtigste Majestät: Aus der Stadt Mexíco, Hauptstadt Neuspaniens, entbieten wir Euch am Vorabend des Festes des Heiligen Michael und Aller Engel, im Jahre des Herrn eintausendfünfhundertundneunundzwanzig unseren untertänigsten Gruß.
Euer Majestät befehlen, daß wir fortfahren, weitere Teile der sogenannten Azteken-Geschichte zu schicken, »so schnell die Seiten fertiggestellt sind«. Das überrascht und kränkt Euren wohlmeinenden Kaplan, Sire. Um aller Besitztümer in Euer Majestats Reich willen würden wir nicht im Traum daran denken, die Wünsche und Beschlüsse unseres Souveräns in Frage zu stellen. Wir glaubten jedoch in unserem letzten Schreiben unsere Einwände gegen diese Chronik – die von Tag zu Tag verabscheuungswürdiger gerät – deutlich zum Ausdruck gebracht zu haben und hofften, daß Euer Majestät sich über die Empfehlung des persönlich von Eurer Majestät ernannten Bischofs nicht so beiläufig hinwegsetzen würden.
Wir sind uns Eurer Allergnädigsten Majestät eingehenden Interesses an sehr ins einzelne gehender Information auch noch über die niedrigsten Eurer Untertanen bewußt, auf daß Ihr sie um so weiser und verständnisvoller regieren könnt. Und in der Tat haben wir diese lobenswerte Absicht schon
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